Forderungseingang in der Insolvenz bei Eigenverwaltung

Vereinnahmt der Insolvenzverwalter im Rahmen der Eigenverwaltung das Entgelt für eine vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausgeführte Leistung, begründet dies eine Masseverbindlichkeit.

Hintergrund: Entgelt für vor Verfahrenseröffnung erbrachte Leistungen beim Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung

Am 1.8.2012 wurde über das Vermögen der GmbH, die ihre Umsätze nach vereinbarten Entgelten versteuerte, das Insolvenzverfahren eröffnet und Eigenverwaltung (§ 270 InsO) angeordnet. Im eröffneten Verfahren vereinnahmte die GmbH (im August 2012) Entgelte für Leistungen, die sie bereits zuvor (von Februar bis Juli 2012) erbracht hatte.

Sie ging davon aus, die Steuer für diese Leistungen sei bei der Berechnung der sich für 2012 ergebenden Insolvenzforderung zu berücksichtigen.

Das FA vertrat demgegenüber die Auffassung, die Steuer sei bei der Masseverbindlichkeit anzusetzen. Denn bei der Eröffnung des Insolvenzverfahrens trete hinsichtlich der noch nicht entrichteten Leistungsentgelte, da sie nur noch für die Insolvenzmasse vereinnahmt werden könnten, Uneinbringlichkeit mit der Folge der entsprechenden Berichtigung ein. Die Grundsätze der BFH-Rechtsprechung (BFH v. 9.12.2010, V R 22/10, BStBl II 2011 S. 996) seien auch auf die Eigenverwaltung anzuwenden. Dem folgte das FG und wies die Klage ab.

Entscheidung: Doppelte USt-Berichtigung bei Überschneidung von Insolvenz- und Massebereich

Die insolvenzrechtlich vorgegebene Aufteilung in Insolvenzforderung (§ 38 InsO) und Masseverbindlichkeit (§ 55 InsO) erfordert die Aufteilung des Steueranspruchs entsprechend dieser Bereiche. Dazu sind die Steueransprüche aus erbrachten Leistungen, die abziehbaren Vorsteuerbeträge aus bezogenen Leistungen und die Berichtigungsansprüche sowie die weiteren bei der Steuerberechnung zu berücksichtigenden Besteuerungsgrundlagen den jeweiligen Bereichen der §§ 38, 55 InsO zuzuordnen, so dass sich hieraus eine USt-Jahresinsolvenzforderung und eine USt-Jahresmasseverbindlichkeit ergibt.

Hat der Unternehmer das Entgelt für die von ihm erbrachte Leistung vereinnahmt, die geschuldete USt aber bis zur Insolvenzeröffnung noch nicht an das FA abgeführt, ist das FA als Insolvenzgläubiger zu behandeln, da sich hier das normale Gläubigerrisiko einer Schuldnerinsolvenz verwirklicht.

Anders ist es jedoch, wenn es zu einer Überschneidung von Insolvenzbereich (§ 38 InsO) und Massebereich (§ 55 InsO) kommt, weil – wie hier - erst der Insolvenzverwalter das Entgelt vereinnahmt. Bei der dann erforderlichen Abgrenzung der Vermögensbereiche der §§ 38, 55 InsO ist fraglich, ob es bei der Einordnung der für die Leistung geschuldeten Steuer als Insolvenzforderung bleibt oder ob es zum Entstehen einer Masseverbindlichkeit kommt.

Für Letzteres (Masseverbindlichkeit) spricht, dass kein Grund dafür besteht, eine vom Insolvenzverwalter vereinnahmte Umsatzsteuer als Teil einer Insolvenzforderung zu behandeln. Vielmehr ergibt sich aus § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG, dass (auch im Rahmen der Sollbesteuerung) eine vollständige Tatbestandsverwirklichung erst mit der Vereinnahmung der Gegenleistung vorliegt. Dies rechtfertigt zum einen die Berichtigung einer zuvor vorgenommenen Sollbesteuerung nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG, die aufgrund der Insolvenzeröffnung im Insolvenzbereich (§ 38 InsO) vorzunehmen ist und zum anderen die nachfolgende zweite Berichtigung (§ 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG) im Massebereich (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO) bei Vereinnahmung der Gegenleistung.

BFH verneint unionsrechtliche Zweifel

Hinsichtlich der Berichtigungsvorschrift des § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG verweist der BFH auf die eindeutige unionsrechtliche Grundlage in Art. 90 MwStSystRL. Der EuGH hat auch die Anordnung einer zweiten Berichtigung gebilligt (EuGH-Urteil "Di Maura" v. 23.11.2017, C-246/16). Im Übrigen besteht für den Insolvenzbereich keine unionsrechtliche Harmonisierung der USt, so dass es den Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer durch Art. 90, 273 MwStSystRL eingeräumten Regelungsbefugnis obliegt, die Rechtsfolgen für den Insolvenzfall wie vorliegend zu bestimmen.

Die bisherigen Rechtsprechungsgrundsätze gelten auch bei Eigenverwaltung  

Der Trennung in Insolvenzforderung und Masseverbindlichkeit steht die fehlende Bestellung eines Insolvenzverwalters nicht entgegen. Denn im Verfahren der Eigenverwaltung übt der Schuldner die Funktion des Insolvenzverwalters aus. Er behält zwar im Ergebnis die Befugnis, die Insolvenzmasse zu verwalten und über sie zu verfügen. Er wird dabei aber nicht kraft eigener Privatautonomie tätig, sondern übt die ihm verbliebenen Befugnisse als Amtswalter innerhalb der in §§ 270 ff. eingeräumten Befugnisse aus. Die Revision der GmbH (bzw. des Insolvenzverwalters in einem zweiten Verfahren) wurde daher zurückgewiesen. 

Hinweis: Keine Vorlage an den EuGH

Der BFH weist darauf hin, dass die die doppelte USt-Berichtigung nunmehr von beiden USt-Senaten (V. und XI. Senat) für zutreffend erachtet wird. Angesichts der durch die MwStSystRL den Mitgliedstaaten eingeräumten Regelungsbefugnis bestehen für den BFH auch keine Zweifel an dieser Auslegung des Unionsrechts. Die Einleitung eines Vorabentscheidungsersuchens an den EuGH nach Art. 267 AEUV kam daher im Streitfall nicht in Betracht.

BFH, Urteil v. 27.9.2018, V R 45/16, veröffentlicht am 7.11.2018.