Rz. 300

§ 10 Abs. 10 ErbStG wurde durch das ErbStRG neu eingefügt. Die Regelung betrifft Konstellationen, in denen Personen- oder Kapitalgesellschaftsanteile zunächst auf die Erben übergegangen sind, von diesen jedoch auf Grund von gesellschaftsvertraglichen Klauseln auf andere Gesellschafter übertragen werden müssen. Bei Anteilen an Personengesellschaften dürfte dies selten vorkommen, da nur bei Kommanditanteilen ohne eine entsprechende Regelung im Gesellschaftsvertrag überhaupt ein Anteilsübergang auf die Erben erfolgt (s. § 3 Rn. 321). Und auch bei Kommanditanteilen ist es einfacher, eine sog. Fortsetzungsklausel in den Gesellschaftsvertrag aufzunehmen, durch die der Gesellschaftsanteil des verstorbenen Gesellschafters automatisch den Mitgesellschaftern anwächst, als eine Klausel, dass die Erben den Anteil auf die Mitgesellschafter übertragen müssen. Bei der Fortsetzungsklausel bzw. beim Komplementär- oder OHG-Anteil bei Fehlen einer Klausel im Gesellschaftsvertrag erhalten die Erben von vornherein nur einen Abfindungsanspruch, falls ein solcher nicht ausgeschlossen ist. Dieser Abfindungsanspruch ist als Geldanspruch zu erfassen. In diesen Fällen kommt § 10 Abs. 10 ErbStG nicht zur Anwendung.

 

Rz. 301

Von größerer Bedeutung ist § 10 Abs. 10 ErbStG bei GmbH-Anteilen. Diese sind gem. § 15 Abs. 1 GmbHG zwar frei vererblich, die Vererbbarkeit darf aber nicht durch den Gesellschaftsvertrag ausgeschlossen oder beschränkt werden. Möglich sind hingegen Klauseln, mit denen der oder die Erben verpflichtet werden, den GmbH-Anteil auf die GmbH, einen oder mehrere GmbH-Gesellschafter oder einen Dritten zu übertragen. Ebenfalls zulässig ist eine Klausel, nach der der Geschäftsanteil im Falle des Todes eingezogen wird (s. Schacht, Beck’sches Handbuch der GmbH, 3. Aufl., § 12 Rn. 210 ff.). Anders als der Erwerb eigener Geschäftsanteile durch die GmbH, der jedoch nur unter den Voraussetzungen des § 33 GmbHG zulässig ist, führt die Einziehung dazu, dass der Geschäftsanteil vernichtet wird. Sowohl bei der Verpflichtung zur Abtretung als auch bei der Einziehung erhält der Erbe grundsätzlich einen Abfindungsanspruch, der dem Verkehrswert der Anteile entspricht. Dieser Abfindungsanspruch kann jedoch durch den Gesellschaftsvertrag sowohl völlig ausgeschlossen als auch beschränkt werden (s. Schacht, Beck’sches Handbuch der GmbH, § 13 Rn. 120 ff.; s. Lutter/Hommelhoff, GmbHG, § 34 Rn. 55). Die Besteuerung bei den verbleibenden Gesellschaftern regelt § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 und 3 ErbStG. § 10 Abs. 10 ErbStG legt fest, dass die Erben in diesem Fall nur einen etwaigen Abfindungsanspruch, nicht jedoch den Gesellschaftsanteil selbst versteuern müssen, obwohl dieser zunächst auf sie übergegangen ist.

 

Rz. 302

Seinem Wortlaut nach erfasst § 10 Abs. 10 ErbStG ausschließlich Fälle, in denen der Anteil auf einen Mitgesellschafter übertragen werden muss oder von der Gesellschaft eingezogen wird, nicht jedoch die Konstellation, dass der Anteil auf einen Dritten oder auf die Gesellschaft selbst übertragen werden muss. Dies ist umso unverständlicher, als zumindest die Besteuerung für die verbleibenden Gesellschafter im Fall der Übertragung auf die Gesellschaft selbst in § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 ErbStG geregelt ist. Da es für die Erben keinen Unterschied macht, ob sie den Anteil auf einen Mitgesellschafter, die Gesellschaft selbst, oder einen Dritten übertragen müssen, wird man § 10 Abs. 10 ErbStG in diesen Fällen analog anwenden können.

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