Rz. 155

Bei der Übertragung von Anteilen an Personengesellschaften und dem dazugehörenden Sonderbetriebsvermögen gibt es unzählige Fallkonstellationen. Dies hat vor allem im ertragsteuerlichen Bereich zu vielen Auseinandersetzungen mit der Finanzverwaltung geführt. Die ganze Thematik hat etwas Klärung erfahren durch das BMF-Schreiben zu § 6 Abs. 3 und 5 EStG vom 20.11.2019, DStR 2019, 2482 sowie ergänzend dazu BMF vom 05.05.2021, DStR 2021, 1112.

 

Rz. 156

Der Mitunternehmeranteil eines Gesellschafters beinhaltet den Anteil am Gesamthandsvermögen sowie das dem einzelnen Mitunternehmer zuzurechnende Sonderbetriebsvermögen. Bei der unentgeltlichen Übertragung des Mitunternehmeranteil müssen auch die Wirtschaftsgüter des funktional wesentlichen Sonderbetriebsvermögens mitübertragen werden, da es ansonsten zu einer tarifbegünstigten Aufgabe des Mitunternehmeranteils kommt (vgl. BMF vom 20.11.2019, DStR 2019, 2482, Rz. 8, 9). In diesem Fall werden die stillen Reserven im Gesamthandsvermögen und im Sonderbetriebsvermögen realisiert und es kommt zu einer Besteuerung des Aufgabegewinns nach § 16 Abs. 3 EStG beim Übergeber. Eine Buchwertfortführung gem. § 6 Abs. 3 EStG ist möglich, wenn der gesamte Mitunternehmeranteil oder auch ein reduzierter Mitunternehmeranteil übertragen wird. Zudem kann auch eine disquotale Übertragung von Gesamthandsvermögen und Sonderbetriebsvermögen vorgenommen werden (vgl. BMF vom 20.11.2019, DStR 2019, 2482 Rz. 10, 25 ff.).

 

Rz. 157

Um die Komplexität an dieser Stelle überschaubar zu halten, sollen die im Folgenden dargestellten Haupt-Anwendungsfälle aus der Praxis beispielhaft beleuchtet werden, da sich hier die Fallstricke gut aufzeigen lassen. Wichtig ist, jeden Fall individuell auf erbschaftsteuerliche und ertragsteuerliche Folgen zu überprüfen.

 
Praxis-Beispiel

Zu einem Kommanditanteil gehört noch ein Grundstück (Sonderbetriebsvermögen I), das der Kommanditist als Alleineigentümer des Grundstücks der KG zur Nutzung überlässt. Folgende Anwendungsfälle sollen exemplarisch betrachtet werden:

 

Rz. 158

Fall 1: Nachfolge in die Rechtsstellung als Gesellschafter und als Eigentümer des Grundstücks

Geht das als notwendiges steuerliches Sonder-BV I zu qualifizierende Grundstück zusammen mit dem Anteil an der Personengesellschaft auf den Gesellschafter-Nachfolger über, hat der Erwerber die Buchwerte des Rechtsvorgänger gem. § 6 Abs. 3 EStG fortzuführen. Es kommt nicht zu einem ertragsteuerlich relevanten Vorgang im Sinne des § 16 Abs. 3 EStG. Aus erbschaftsteuerlicher Sicht kommt es zur Übertragung von begünstigungsfähigem Vermögen nach § 13b Abs. 1 Nr. 2 ErbStG.

 

Rz. 159

Fall 2: Das Grundstück fällt in den allgemeinen Nachlass (Miterbengemeinschaft), die Gesellschafterstellung geht auf einen Erben über

Die steuerliche Beurteilung ändert sich, wenn das Grundstück nicht auf den Erben übergeht, der meist kraft qualifizierter Nachfolgeklausel in den Kommanditanteil eingetreten ist, sondern in den allgemeinen Nachlass gelangt, an dem auch Erben beteiligt sind, die nicht in die Gesellschafterstellung des Erblassers eingetreten sind. In diesem Fall werden die stillen Reserven anteilig aufgedeckt in der Höhe des nicht vom Gesellschafter-Erben übernommenen Anteils an dem Grundstück, so dass es in dieser Höhe zu einer Aufgabegewinnbesteuerung nach § 16 Abs. 3 EStG beim Übergeber kommt. Aus erbschaftsteuerlicher Sicht führt aber die Übertragung des (ehemaligen) Sonder-BV I auf die Erben, die nicht Gesellschafter geworden sind und somit nur das Grundstück übernehmen, zur Verneinung des Grundstücks als begünstigungsfähiges Vermögen, da die Erben keine begünstigungsfähige Gesellschafterstellung erlangen und auch das Grundstück nach der Übertragung nicht mehr zum Betriebsvermögen zählt.

 

Rz. 160

Fall 3: Disquotale Übertragung des Sonderbetriebsvermögens

Eine noch komplexere Situation liegt vor, wenn bei der Übertragung des Gesellschaftsanteils keine quotale, d. h. mit der Gesellschaftsquote identische Anteilsübertragung an dem Grundstück erfolgt. Dabei ist das Zurückbehalten des Sonder-BV I beim Übergeber zu Lebzeiten bei gleichzeitiger Übertragung der (anteiligen) Mitunternehmerschaft wegen § 6 Abs. 3 Satz 2 EStG unproblematisch. Wird bei der unentgeltlichen Übertragung eines Teils des Anteils am Gesamthandsvermögen funktional wesentliches Sonderbetriebsvermögen nicht oder im geringeren Umfang übertragen, als es dem übertragenen Anteil am Gesamthandsvermögen entspricht, liegt insgesamt eine Übertragung im Sinne des § 6 Abs. 3 S. 2 EStG vor. In diesem Fall ist jedoch für die Buchwertübertragung erforderlich, dass der Übernehmer den übernommenen Mitunternehmeranteil für einen Zeitraum von fünf Jahren nicht veräußert oder aufgibt (§ 6 Abs. 3 S. 2 EStG, vgl. BMF vom 20.11.2019, DStR 2019, 2482, Rz. 25, 26). In erbschaftsteuerlicher Hinsicht genügt es, wenn der Erwerber die Eigenschaft als Mitunternehmer fortführt; es liegt folglich auch in dieser Konstellation verschonungswürdiges Sonderbetriebsvermögen vor, weil eine begünstigu...

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