Rz. 312

Eine Schenkung auf den Todesfall ist mit dem Risiko verbunden, dass häufig der Notar "vergessen" wurde oder dass allgemein nur eine mündliche Absprache erfolgte. Dies hat seinen zivilrechtlichen Grund darin, dass in § 2301 BGB zwischen einer vollzogenen (Abs. 2) und einer nicht vollzogenen Schenkung (Abs. 1) unterschieden wird.

 

Rz. 313

Für einen Vollzug der Schenkung zu Lebzeiten nach § 2301 Abs. 2 BGB gelten nach einhelliger Rechtsprechung des BGH nämlich die Heilungsvorschriften von § 518 Abs. 2 BGB, wonach bei Bewirkung der versprochenen Leistung ein möglicher Formmangel (fehlende notarielle Beurkundung) geheilt ist. Umgekehrt, bei fehlender Leistungserfüllung zu Lebzeiten, gelten – ohne Heilungsmöglichkeit – nach § 2301 Abs. 1 Satz 1 BGB die strengen Formvorschriften des Erbrechts. Danach ist zumindest § 2247 BGB ("eigenhändig und unterschrieben") zu beachten, wenn ein wirksamer Rechtsgrund für das Behalten-Dürfen der Zuwendung vorliegen soll.

 
Praxis-Beispiel

Witwer W (2 Kinder X und Y) wird in den letzten Jahren aufopferungsvoll von der Krankenschwester Martha M gepflegt. Sein Vertrauter B wird von W bevollmächtigt, nach seinem Tode ein Sparbuch – auf den Namen des W lautend – auf M umzuschreiben.

Lösung:

Im vorliegenden Sachverhalt stattet der Zuwendende (im Beispiel der Erblasser W) eine Mittelsperson (hier B) mit einer Vollmacht über den Tod hinaus aus (sog. "transmortale Vollmacht"). In der Praxis ist dies die formularmäßige Vollmachtserteilung an Banken oder Notare, kurz nach dem Tode die rechtsgeschäftlichen Voraussetzungen für die Überschreibung von Sparbüchern, Wertpapieren und dergleichen zu erbringen. Damit beginnt oftmals sofort nach dem Ableben des Schenkers der Wettlauf der Erben, die das Rechtsgeschäft noch widerrufen können, mit dem Vertreter, der die Willenserklärung des Erblassers zum Vertragspartner (i. d. R. die Banken) "transportiert". Sowohl die erbrechtliche als auch die steuerliche Beurteilung hängen in dieser Fallkonstellation davon ab, wer "schneller" war (Wettlauf zwischen Erben und Beschenkten). Gelingt den Erben der Widerruf vor Zugang der Offerte des B an die Bank, so steht ihnen als gesetzliche oder gewillkürte Erben das Sparbuchvermögen zu. Hat die Mittelsperson B hingegen rechtzeitig das Angebot übertragen, liegt eine nach dem Tod des W vollzogene Schenkung auf den Todesfall vor.

Kommt das von B übermittelte Vertragsangebot vor dem Widerruf (1. Alternative) von X und Y bei der Bank an, so hat M die Sparbücher von Todes wegen nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG erworben, da der Vollzug nach dem Tode des Erblassers eintrat (aber s. Rn. 315 ff.).

Sind die Erben hingegen schneller (Widerruf vor übermitteltem Vertragsangebot, d. h. 2. Alternative), gehören die Sparbücher zur Gesamtbereicherung von X und Y gem. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Die geplante Schenkung (auf den Todesfall) "fiel ins Wasser".

 

Rz. 314

Um den Wettlauf zu verhindern, wird die Vollmacht an die Bank häufig unwiderruflich ausgestellt. Wichtig ist aber, dass selbst eine unwiderrufliche Vollmacht noch nicht zum Vollzug nach § 2301 Abs. 2 BGB führt. Hierzu bedarf es nach wie vor des Übertragungsaktes seitens des Schenkers (s. Weidlich in Grüneberg, § 2301 Rn. 10). Allein der Wettlauf wird damit unterbunden.

Hätte W das Sparbuch der M wenigstens in der Form eines Erbvertrages (oder noch besser: in der testamentarischen Form des § 2247 BGB) zugewendet und den Vollzug bis zu seinem Tode hinausgeschoben, so läge ein wirksames – noch nicht vollzogenes – Schenkungsversprechen auf den Todesfall gem. § 2301 Abs. 1 BGB vor. Die Erben sind in diesem Fall "ausgebootet" (in steuerlicher Hinsicht kommt es zu einem Erwerbsvorgang der M nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 ErbStG).

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