Rz. 56

Weil für § 5 Abs. 2 ErbStG die Regelung des § 5 Abs. 1 Satz 3 ErbStG nicht gilt (vgl. Weinmann in M/W, § 5 Rn. 44, 62; Geck in K/E, § 5 Rn. 59.1 m. w. N.), ist die Vermutung des § 1377 Abs. 3 BGB, wonach das Endvermögen den Zugewinn darstellt, wenn die Ehe- bzw. Lebenspartner kein Verzeichnis über das Anfangsvermögen erstellt haben, dem Grunde nach anwendbar. Bedacht werden sollte, dass diese Vermutung für die FinVerw nicht bindend ist. Bei der Steuerveranlagung ist die Vermutung widerlegbar (s. Einführungserlass vom 10.03.1976, Tz. 2.1 Buchst. a, BStBl I 1976, 145 und BFH vom 08.02.1984, BStBl II 1984, 438). Um im Rahmen einer Gestaltung dieser Unsicherheit zu entgehen, sollten die Ehe- bzw. Lebenspartner eine Vereinbarung über das Anfangsvermögen vertraglich festhalten (vgl. Viskorf in V/S/W, § 5 Rn. 46).

 

Rz. 57

Auch im Übrigen sind Vereinbarungen zur Berechnung des Zugewinns grds. bis zur Grenze des Gestaltungsmissbrauchs möglich und anzuerkennen (vgl. Weinmann in M/W, § 5 Rn. 63; FG Hessen vom 15.12.2016, EFG 2017, 871 Rz. 50 m. Anm. Brenne). Es bleibt allerdings schwierig, diese Grenze zu bestimmen. Nach der Rspr. des BFH ist einer güterrechtlichen Vereinbarung die erbschaftsteuerliche Anerkennung dann zu versagen, wenn "sie einem Ehepartner eine überhöhte Ausgleichsforderung verschafft" (BFH vom 28.06.1989, BStBl II 1989, 897; bestätigend BFH vom 12.07.2005, BStBl II 2005, 843). Die FinVerw geht im Anschluss hieran davon aus, dass eine steuerpflichtige Schenkung vorliegt, wenn mit der Vereinbarung in erster Linie nicht güterrechtliche, sondern erbrechtliche Wirkungen herbeigeführt werden sollen. Eine überhöhte Ausgleichsforderung könne vorliegen, soweit die tatsächliche Ausgleichsforderung (z. B. durch rückwirkende Begründung des Güterstandes oder Vereinbarung eines abweichenden Anfangsvermögens) die sich ohne vertragliche Modifikationen ergebende gesetzliche Ausgleichsforderung übersteige (R E 5.2 Abs. 2 Satz 2 f. ErbStR).

 

Rz. 58

Einer rückwirkenden Vereinbarung der Zugewinngemeinschaft ist im Anwendungsbereich des § 5 Abs. 2 ErbStG jedoch regelmäßig nicht die Anerkennung zu versagen, wie das FG Düsseldorf in seinem Urteil vom 14.06.2006 klargestellt hat; vielmehr stellt sich das Fehlen einer § 5 Abs. 1 Satz 4 ErbStG entsprechenden Regelung für die güterrechtliche Lösung als bewusster Verzicht des Gesetzgebers dar (EFG 2006, 1447, rkr.). Das FG Düsseldorf verweist dabei auf die Entscheidung des BFH vom 12.07.2005 (BStBl II 2005, 843). Danach ist die zivilrechtlich wirksame, rückwirkende Vereinbarung der Zugewinngemeinschaft (z. B. auf den Zeitpunkt des Beginns der Ehe bzw. Lebenspartnerschaft) im Falle des güterrechtlichen Zugewinnausgleichs (§ 5 Abs. 2 ErbStG) auch erbschaftsteuerlich wirksam; der Zugewinn kann schenkungsteuerfrei ausgeglichen werden (vgl. Götz in F/P/W, § 5 Rn. 77; Wachter, FR 2020, 816, 826; Milatz/Herbst, DStR 2011, 706, 708). Die FinVerw hat sich dem jetzt zumindest dem Grunde nach angeschlossen und erkennt an, dass "allein die rückwirkende Vereinbarung der Zugewinngemeinschaft" keine erhöhte güterrechtliche Ausgleichsforderung begründet (R E 5.2 Abs. 2 Satz 4 ErbStR). Hierdurch wird auch Ehegatten, die gegenwärtig in Gütertrennung leben oder die den Zugewinnausgleich für jede lebzeitige Beendigung der Zugewinngemeinschaft vertraglich ausgeschlossen hatten, die Möglichkeit eines steuerfreien Zugewinnausgleichs eröffnet. Bei rückwirkender Begründung der Zugewinngemeinschaft und deren zeitnaher Beendigung durch Wechsel zur Gütertrennung sollte jedoch ausdrücklich klargestellt werden, dass nicht erbrechtliche, sondern güterrechtliche Motive im Vordergrund stehen (vgl. Geck in K/E, § 5 Rn. 60.1). Wird die Zugewinngemeinschaft rückwirkend begründet, so erscheint bei späterer Beendigung des Güterstandes darüber hinaus auch ein nachträgliches Entfallen der auf vorherige Zuwendungen zwischen den Ehegatten erhobenen Schenkungsteuer gem. § 29 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG i. V. m. § 1380 BGB möglich (vgl. Reich, ZEV 2011, 59; s. Rn. 34 ff.).

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