Rz. 68

Bei einem Nachvermächtnis gibt der Erblasser dem Vermächtnisnehmer auf, den Vermächtnisgegenstand zu einem bestimmten Zeitpunkt oder beim Eintritt eines bestimmten Ereignisses an den Nachvermächtnisnehmer weiterzugeben (§ 2191 Abs. 1 BGB). Zivilrechtlich stellt das Nachvermächtnis einen speziellen Fall des Untervermächtnisses dar, bei dem Identität des Vermächtnisgegenstandes besteht. Vom Ersatzvermächtnis unterscheidet sich das Nachvermächtnis dadurch, dass dem Vermächtnisnehmer in zeitlicher Reihenfolge ein zweiter (Nach-)Vermächtnisnehmer folgt, während der Ersatzvermächtnisnehmer an die Stelle des Vermächtnisnehmers tritt.

 

Rz. 69

Bereits zivilrechtlich sind die Vorschriften der Vor- und Nacherbschaft teilweise auf das Nachvermächtnis anwendbar (§ 2191 Abs. 2 BGB). Es liegt daher nahe, dass § 6 Abs. 4 ErbStG Nachvermächtnisse den Nacherbschaften gleich stellt (Einzelheiten vgl. FG Hamburg vom 11.01.2012, DStRE 2012, 1452, rkr.; FG Düsseldorf vom 22.11.2016, ZEV 2017, 111 sowie auch Hartmann, ZEV 2007, 458). Liegt dem Nachvermächtnisfall daher der Tod des Vorvermächtnisnehmers zu Grunde, so erwirbt der Nachvermächtnisnehmer analog § 6 Abs. 2 ErbStG vom Vorvermächtnisnehmer, der fiktiv die Stellung eines Vorerben einnimmt. Der Nachvermächtnisnehmer kann aber analog § 6 Abs. 2 Satz 2 ErbStG den Antrag stellen, nach dem Verhältnis zum Erblasser besteuert zu werden. Liegt dem Nachvermächtnisfall ein anderer Umstand als der Tod des Vorvermächtnisnehmers zu Grunde, so kommt § 6 Abs. 3 ErbStG analog zur Anwendung. Auch die Erwerbstatbestände vor Eintritt des Nacherbfalls (s. Rn. 35 ff.) können beim Nachvermächtnis zur Anwendung gelangen. Hat der Erblasser die Erben mit einem Vermächtnis beschwert, das der (Vor-)Vermächtnisnehmer nach Ableben auf einen Dritten, den Nachvermächtnisnehmer, zu übertragen hat und verzichtet dieser (der Nachvermächtnisnehmer) gegen eine Abfindungszahlung auf sein Anwartschaftsrecht aus dem Nachvermächtnis, liegt unter Anwendung von § 6 Abs. 4 ErbStG ein steuerpflichtiger Vorgang gem. § 3 Abs. 2 Nr. 6 ErbStG i. H. d. Abfindungszahlung vor (s. BFH vom 19.04.1989, BStBl II 1989, 623, Sachverhalt vereinfacht dargestellt). In der Praxis hat das Nachvermächtnis allerdings nur eine geringe Bedeutung.

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