3.1 Grundsatz

 

Rz. 30

Am einfachsten ist die Berechnung, wenn beim Zweiterwerb ausschließlich Vermögen übergeht, das auch schon beim Ersterwerb übergegangen war und auch keine Wertsteigerung in diesem Vermögen eingetreten ist. Dann kann der Prozentsatz aus Abs. 1 unmittelbar auf die gem. § 19 Abs. 1 ErbStG berechnete Steuer angewandt werden.

 
Praxis-Beispiel

Am 14.10.2017 schenkt der A seinem Sohn S Wertpapiere mit einem Kurswert von 2.000.000 EUR. S verstirbt am 27.09.2019. Alleinerbe ist seine Ehefrau E. Als Vermögen hat der S zum Zeitpunkt seines Todes ausschließlich die Wertpapiere, die infolge des Kursverfalls nunmehr nur noch einen Wert von 1.500.000 EUR haben.

Lösung:

 

Rz. 31

Geht neben dem bereits beim Ersterwerb übergegangenen Vermögen auch noch anderes Vermögen des Ersterwerbers auf den Letzterwerber über, oder ist der Wert des Vermögens zwischenzeitlich gestiegen, so muss gem. § 27 Abs. 2 ErbStG zunächst die Steuer auf den Letzterwerb aufgeteilt werden, um zu ermitteln, wie viel von dieser Steuer auf das begünstigte Vermögen entfällt. Die Aufteilung erfolgt in dem Verhältnis, in dem der Wert des begünstigten Vermögens zu dem Wert des steuerpflichtigen Erwerbs ohne Abzug des dem Erwerber zustehenden Freibetrags steht. Gemeint sind damit die persönlichen Freibeträge gem. §§ 16 und 17 ErbStG.

3.2 Wertveränderungen im Vermögen zwischen den Erwerben

Ausgewählte Rechtsprechung:

FG Berlin vom 10.03.1992, EFG 1992, 470

 

Rz. 32

Umstritten ist die Frage, wie Wertsteigerungen im Vermögen zu behandeln sind. Die Rechtsprechung ist uneinheitlich, eine Rechtsprechung des BFH zu dieser Frage fehlt bislang. Das FG Münster bezieht sich in einem Urteil aus 1977 auf die Rechtsprechung des RFH und differenziert danach, welcher Grund einer Wertsteigerung zugrunde liegt. Beruhe diese auf einer Arbeitsleistung des Erblassers oder auf dem Einsatz von Vermögen durch diesen, so sei der Erwerb insoweit nicht begünstigt. Beruhe die Wertsteigerung hingegen auf der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung, so sei die Steuerermäßigung nach den höheren Werten zum Zeitpunkt des Letzterwerbs zu berechnen. Der Gesetzeswortlaut stelle alleine darauf ab, ob für das nämliche Vermögen eine Steuer zu erheben war und nicht, ob das Vermögen auch in dieser Höhe bereits einer Besteuerung unterlegen habe (s. FG Münster vom 02.03.1977, EFG 1977, 489). Das FG Berlin argumentiert hingegen, Zweck des § 27 ErbStG sei es, Doppelbelastungen mit Erbschaftsteuer zu reduzieren, so dass eine Anwendung der Ermäßigung auf Wertsteigerungen im Vermögensstamm nicht in Betracht komme (s. FG Berlin vom 10.03.1992, EFG 1992, 470). Der Rechtsprechung des FG Berlin hat sich auch die Finanzverwaltung angeschlossen und berücksichtigt Wertsteigerungen im Vermögen nicht (s. R E 27 Abs. 1 Satz 2 ErbStR).

 

Rz. 33

Dieser Auffassung ist zu folgen, da sie dem Zweck des § 27 ErbStG, der eine übermäßige Belastung mit Erbschaftsteuer vermeiden will, entspricht. Wertsteigerungen haben aber noch nicht der Erbschaftsteuer unterlegen, so dass insoweit kein Bedürfnis nach einer Entlastung besteht. Darüber hinaus ist sie auch deutlich praktikabler als eine Differenzierung nach dem Grund der Wertsteigerung. In vielen Fällen wird sich nicht ermitteln lassen, welche Umstände genau zu einer Wertsteigerung geführt haben. Aufgrund der Ermäßigungshöchstgrenze des § 27 Abs. 3 ErbStG wirkt sich diese Frage allerdings selten aus (s. Jülicher in T/G/J/G, § 27 Rn. 23). Dies gilt allerdings nicht, wenn sich wie durch das ErbStRG die Steuerfreibeträge erhöht haben.

 
Praxis-Beispiel

Wie das vorige Beispiel, aber die Wertpapiere sind im Wert gestiegen. Beim Tod des S haben sie einen Steuerwert von 2.500.000 EUR.

Lösung:

3.3 Behandlung von Schulden

 

Rz. 34

Das folgende Beispiel veranschaulicht den Sachverhalt.

 
Praxis-Beispiel

Wie die vorigen beiden Beispiele, jedoch hat S noch eigenes Vermögen mit einem Steuerwert von 300.000 EUR. Außerdem besteht eine Pflichtteilsschuld i. H. v. 450.000 EUR. Beim Tod des S haben die Wertpapiere einen Steuerwert von 1.500.000 EUR.

Lösung:

 

Rz. 35

Sind hingegen sowohl direkt zuordenbare Schulden vorhanden als auch solche, die nicht im Zusammenhang mit bestimmten Vermögensteilen stehen, so muss eine Aufteilung erfolgen. Der Zusammenhang von Schulden mit begünstigtem Vermögen kann sich auch daraus ergeben, dass die Schulden schon beim Vorerwerb vorhanden waren.

 
Praxis-Beispiel

Am 08.03.2018 stirbt der V. Alleinerbe ist sein Sohn S. Das Vermögen besteht ausschließlich aus einem Wertpapierdepot mit einem Kurswert von 1.500.000 EUR. Das Vermögen war belastet mit einem Konsumentenkredit i. H. v. 50.000 EUR.

Als der S am 27.02.2019 verstirbt, ist Alleinerbin seine Ehefrau E. Die Wertpapiere haben zu diesem Zeitpunkt nur noch einen Wert in Höhe von 700.000 EUR. Der Kredit besteht in unverminderter Höhe weiter. Außerdem ist ein Grundstück mit einem Steuerwert von 900.000 EUR vorhanden, das noch mit einer Grundschuld von dessen Erwerb i. H. v. 100.000 EUR belastet ist. Der Nachlass ist mit einem Pflichtteilsanspruch i. H. v. 340.000 EUR belastet.

Lösung:

 

Rz. 36

Steigt der Wert der begünstigen V...

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