Rz. 524

Gemeinschaftskonten können in der Form eines Und-Kontos oder Oder-Kontos auftreten. Während bei einem Und-Konto mehrere Personen im Verhältnis zum Kreditinstitut beteiligt sind und auch eine Verfügung über das Und-Konto nur von allen gemeinsam vorgenommen werden kann, sind bei einem Oder-Konto zwar ebenfalls mehrere Personen im Verhältnis zum Kreditinstitut beteiligt, es ist jedoch jede einzelne allein berechtigt, über das jeweilige Kontoguthaben zu verfügen (s. Götz, ZEV 2003, 65; Götz, NWB, Fach 10, 41/1999, 915; Götz/Jorde, DStR 2002, 1462; Werkmüller, ZEV, 2000, 440; Braun, NWB 2008, 1633; Werner, NWB-EV 2018, 24). Unter schenkungsteuerlichen Aspekten ist insbesondere das Oder-Konto von Belang. Haben Ehegatten ein Oder-Konto eingerichtet, ist jeder Ehegatte gegenüber der Bank (Außenverhältnis) berechtigt, Verfügungen über das Konto vorzunehmen. Beide Ehegatten sind daher im Außenverhältnis Gesamtgläubiger i. S. v. § 428 BGB. Im Innenverhältnis zwischen den beiden Ehegatten stellen sich hierbei regelmäßig schwierige Abgrenzungsfragen, wem der beiden Ehegatten der Kontobestand zuzuordnen ist bzw. in welcher Höhe. Fehlt es an einer ausdrücklichen (schriftlichen) Vereinbarung der Ehegatten hierüber und lässt sich eine solche auch nicht aus Indizien herleiten, so greift im Zweifel die Regelung des § 430 BGB ein, wonach das Kontoguthaben beiden Ehegatten je zur Hälfte zusteht. Aus wessen Einkünften oder Vermögen die auf das Gemeinschaftskonto eingezahlten Mittel stammen, ist für die Eigentumslage bezüglich des Kontobestandes unerheblich (FG Hessen vom 25.04.1991, EFG 1992, 142; FG Rheinland-Pfalz vom 07.07.1994, EFG 1994, 125), es sei denn aus einer Vereinbarung der Ehegatten ergibt sich, dass die auf das Gemeinschaftskonto eingezahlten Beträge demjenigen zustehen sollen, der sie eingezahlt hat.

 

Rz. 525

Wird daher ein zunächst auf einen Ehegatten lautendes Bankkonto auf ein Gemeinschaftskonto (Oder-Konto) der Eheleute umgestellt, so liegt ohne feststellbare Zuordnung des Kontobestandes im Innenverhältnis nach der Auslegungsregel des § 430 BGB eine freigebige Zuwendung des einen Ehegatten an den anderen Ehegatten i. H. v. 50 % des Kontobestandes vor (BFH vom 22.08.2007, BStBl II 2008, 28; FG Düsseldorf vom 19.07.1995, EFG 1996, 242; FG Hessen vom 26.07.2001, EFG 2002, 34; FG München vom 10.03.2004, EFG 2004, 1258). Gleiches gilt für den Fall, dass auf ein bestehendes Gemeinschaftskonto nur von einem Ehegatten Beträge eingezahlt werden. Die Finanzverwaltung folgt insoweit der Rechtsprechung der Finanzgerichte (OFD Koblenz vom 19.02.2002, ZEV 2002, 189). Zu beachten ist allerdings, dass auch bei Gemeinschaftskonten nicht automatisch eine freigebige Zuwendung vorliegt. So ist z. B. in einer Alleinverdiener-Ehe oder in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft das Gehalt des Erwerbstätigen, das auf ein Gemeinschaftsgirokonto überwiesen wird, keine hälftige freigebige Zuwendung an den anderen Ehegatten/Lebensgemeinschaftspartner. Die Besonderheit liegt hier darin, dass Verfügungen eines "Ehegatten", die er für die "eheliche Lebenshaltung" tätigt, nicht der Ausgleichspflicht unterliegen. In derartigen Fällen ist nämlich davon auszugehen, dass durch die Gegebenheiten des ehelichen/eheähnlichen Zusammenlebens zumindest stillschweigend etwas anderes i. S. v. § 430 BGB vereinbart ist. Diese Kontenzugänge des alleinverdienenden Ehegatten/Lebensgemeinschaftspartners dienen der Alimentierung der Familie/nichtehelichen Lebensgemeinschaft und stellen keine Zuwendung an den anderen Ehegatten/Lebensgemeinschaftspartners dar (s. Werkmüller, ZEV 2000, 440; Billig, ZEV 2002, 475; Götz, ZEV 2003, 65; Gebel in T/G/J/G, § 7 Rn. 173; vgl. auch BFH vom 17.12.2019, BStBl II 2020, 431 zu dem ähnlich gelagerten Fall, dass der Alleinverdiener-Ehegatte die laufenden Kosten des gemeinsam bewohnten Hauses, das im Alleineigentum der Ehefrau steht, zahlt). Etwas anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn aufgrund der Höhe der Einkünfte und dem Zuschnitt der Familienverhältnisse das übliche Maß überschritten wird (FG Münster vom 03.12.1992, EFG 1993, 589).

 

Rz. 526

Die Vermutungsregelung des § 430 BGB greift allerdings nur dann ein, wenn ein Fall des non liquet vorliegt. Davon zu unterscheiden ist die Frage, wen die Darlegungslast trifft. Mit anderen Worten: Muss der Steuerpflichtige darlegen, dass eine abweichende Regelung zum Regelfall des § 430 BGB besteht, oder trifft die Finanzbehörde die Darlegungslast, dass keine abweichende Regelung zwischen den Gesamtgläubigern besteht? Hierzu hat der BGH bereits mit Urteil vom 29.11.1989 (NJW 1990, 705) entschieden, dass während intakter Ehe der (gemeinsamen) Kontoinhaber eine Ausgleichspflicht zwischen den Ehepartnern i. S. d. § 430 BGB ausscheide, weil sich im Regelfall aus ausdrücklicher oder stillschweigender Vereinbarung, Zweck und Handhabung des Kontos ergäbe, dass i. S. v. § 430 BGB "ein anderes bestimmt sei". Dieser Beurteilung hat sich der BFH mit Urteil vom 23.11.2011 (BStBl II 2012, 473) a...

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