Rz. 32

Anstelle dieser fiktiven Abzugsteuer ist eine etwaige früher tatsächlich gezahlte höhere Steuer abzuziehen (§ 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG).

Ein gegenläufiges Ergebnis wird erzielt, wenn etwa der Ersterwerb aufgrund fehlender persönlicher Merkmale ursprünglich höher versteuert war, als dies bei dem Gesamterwerb der Fall ist.

 
Praxis-Beispiel

Bei der Erstschenkung in 20 im vorhergehenden Beispiel bestand zwischen S und V kein Verwandtschaftsverhältnis. Vor der Zweitschenkung in 21 adoptierte V den S.

Lösung:

An der Berechnung des Gesamterwerbs ändert sich zunächst nichts. Wegen der fehlenden verwandtschaftlichen Beziehung von V und S im Jahre 20 wurde vom damaligen Schenkungsbetrag von 0,5 Mio. EUR nur ein Freibetrag von 20.000 EUR (s. § 16 Abs. 1 Nr. 7 ErbStG) abgezogen und der verbleibende Erwerb von 480.000 EUR mit 15 % = 72.000 EUR besteuert.

In diesem Fall wird die tatsächlich höhere Steuer des Jahres 20 von der Steuer des Gesamterwerbs (209.000 EUR) abgezogen, so dass eine Steuer von 137.000 EUR festgesetzt wird.

Wie bereits ausgeführt, führt die Anrechnung der höheren tatsächlichen Steuer für den früheren Erwerb nur zu einer Anrechnung und nie zu einer Erstattung, da nur der Letzterwerb besteuert wird.

 

Rz. 33

Hinweise:

  • Die Funktionsweise von § 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG besteht vor allem darin, die späteren höheren Freibeträge dem Vorerwerb zukommen zu lassen. Dies wird schon aus der Arithmetik des § 14 ErbStG deutlich: Wie aus den einzelnen Rechenschritten (s. Rn. 4) hervorgeht, wird hier nur die Steuer für den Vorerwerb exakt (d. h. mit ggf. aktualisierten Freibeträgen) berechnet, während sich die Steuerberechnung für den Letzterwerb nur aufgrund des Gesamterwerbs ergibt. Damit wirkt sich zwangsläufig der (günstige) Freibetrag auf den Vorerwerb aus.
  • In diesem Sinne sind auch die BFH-Urteile vom 02.03.2005 (BStBl II 2005, 728) und vom 08.03.2006 (ZEV 2006, 371) zu verstehen: "Bei der Berücksichtigung früherer Erwerbe nach § 14 ErbStG ist die Erbschaft- oder Schenkungsteuer für den letzten Erwerb so zu berechnen, dass sich der dem Steuerpflichtigen zur Zeit dieses Erwerbs zustehende persönliche Freibetrag tatsächlich auswirkt, soweit er nicht innerhalb von zehn Jahren vor diesem Erwerb verbraucht worden ist".
  • Die gegen das Konzept laut gewordene Kritik ("Steuergeschenk" lt. Weinmann, in M/W § 14 Rn. 21) hat neue Nahrung und mit dem neuen Satz 4 Gestalt bekommen. Danach kann die Sicherung des Freibetrages bei günstigen Gesetzesänderungen alleine kein Hebel für etwaige steuerfreie Nachschenkungen sein.
  • Für den Fall, dass die Steuer für den Ersterwerb fehlerhaft zu hoch angesetzt wurde, entschied das FG Münster am 23.10.2014 zu Recht, dass die Steuer auf den Vorerwerb in zutreffender Höhe abgezogen wird (s. auch Grewe, ErbStG 2015, 36).

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