Ausgewählte Rechtsprechung:

BFH vom 16.07.1997, BStBl II 1997, 625

 

Rz. 20

Nach seinem Wortlaut ist § 27 ErbStG nur für Erwerbe von Todes wegen (z. B. Erbe, Vermächtnis) anwendbar. Dennoch ist von der Literatur vereinzelt vertreten worden, dass aufgrund von § 1 Abs. 2 ErbStG die Vorschrift auch auf Schenkungen unter Lebenden anwendbar sei. Dieser Auffassung hat sich der BFH in seinem Urteil vom 16.07.1997 nicht angeschlossen und dabei insbesondere Bezug auf die Entstehungsgeschichte und die Gesetzesmotive genommen. Danach hat sich der Gesetzgeber bei der Schaffung des ErbStG 1974 bewusst dafür entschieden, die Steuerermäßigung ausschließlich auf Erwerbe von Todes wegen zur Anwendung zu bringen (s. BFH vom 16.07.1997, BStBl. II 1997, 625). Diese Rechtsprechung überzeugt, denn bei einer Schenkung unter Lebenden hat es der Schenker selbst in der Hand, eine schnelle mehrfache Besteuerung desselben Vermögens durch Wahl des Übertragungszeitpunktes zu vermeiden.

 

Rz. 21

Begünstigt sind alle Erwerbe von Todes wegen. § 27 ErbStG ist daher auch anwendbar, wenn der Nacherbe sein Anwartschaftsrecht gegen Entgelt auf den Vorerben überträgt (s. Jülicher in T/G/J/G, § 27 Rn. 13). Die Beschränkung auf Erwerbe von Todes wegen bezieht sich nur auf den Letzterwerb. Der Vorerwerb kann auch eine Schenkung gewesen sein (s. Hannes/Holtz in M/H/H, § 27 Rn. 4; Jülicher in T/G/J/G, § 27 Rn. 11).

 
Praxis-Beispiel

Vater V schenkt seinem Sohn S ein Grundstück in 2015. 2019 stirbt der S und vererbt dieses Grundstück an seine Ehefrau E.

Lösung:

§ 27 ErbStG ist anwendbar. Das gleiche Vermögen ist mehrfach innerhalb von weniger als zehn Jahren innerhalb der Steuerklasse I übergegangen und der Letzterwerb ist ein Erwerb von Todes wegen.

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