Rz. 11

Darunter fallen insb. Leibrenten oder ein Nießbrauch auf Lebenszeit. Dies gilt auch für eine Rente, die einer Person auf Lebenszeit, längstens aber bis zur Wiederverheiratung zusteht (s. § 5 BewG). Ebenso Renten, die von unbestimmter Dauer, gleichzeitig aber auch von der Lebenszeit einer Person abhängig sind.

Dem Grunde nach handelt es sich um Nutzungen/Leistungen von unbestimmter Dauer, die aber nicht nach § 13 Abs. 2, 2. Alt. BewG mit dem zwingend vorgeschriebenen einheitlichen Vervielfältiger i. H. v. 9,3, sondern mit dem nach der statistischen Lebenserwartung ermittelten kapitalisiert werden, § 14 BewG ist "lex specialis" zu § 13 Abs. 2, 2. Alt. BewG.

 

Rz. 12

Zu ermitteln ist der Kapitalwert nach § 14 Abs. 1 Satz 1 BewG. Da sich die statistische Lebenserwartung dynamisch verändert, wird nach § 14 Abs. 1 Satz 2 BewG den Vervielfältigern die jeweils aktuelle Sterbetafel des Statistischen Bundesamts zugrunde gelegt. Dabei wird von einem Zinssatz von 5,5 % und dem Mittelwert zwischen dem Kapitalwert für jährlich vorschüssige und jährlich nachschüssige Zahlungsweise ausgegangen (§ 14 Abs. 1 Satz 3 BewG).

 

Rz. 13

Um die praktische Anwendung zu erleichtern, wird das BMF ermächtigt, die sich aus der jeweils aktuellen Sterbetafel ergebenden Vervielfältiger im BStBl zu veröffentlichen (§ 14 Abs. 1 Satz 4 BewG), z. B.:

  1. Für Bewertungsstichtage ab dem 01.01.2017 und 01.01.2018:

    BMF vom 04.11.2016 (BStBl I 2016, 1166) i. V. m. BMF vom 28.11.2017 (BStBl I 2017, 1526).

  2. Für Bewertungsstichtage ab dem 01.01.2019:

    BMF vom 22.11.2018 (BStBl I 2018, 1306).

  3. Für Bewertungsstichtage ab dem 01.01.2020:

    BMF vom 02.12.2019 (BStBl I 2019, 1288).

  4. Für Bewertungsstichtage ab dem 01.01.2021:

    BMF vom 28.10.2020 (BStBl I 2020, 1048).

  5. Für Bewertungsstichtage ab dem 01.01.2022:

    BMF vom 04.10.2021 (BStBl I 2021, 1821).

 

Rz. 14

Maßgebend ist i. d. R. das im Besteuerungszeitpunkt vollendete (nach §§ 187 Abs. 2, 188 Abs. 2 BGB zu berechnende) Lebensalter des Begünstigten (somit keine Interpolation erforderlich) und sein Geschlecht (wegen der unterschiedlichen statistischen Lebenserwartung). Problematisch sind die Ausnahmefälle, in denen die Nutzungen/Leistungen erst (weit) nach dem Bewertungsstichtag beginnen sollen (Betagung). Liegt dieser Zeitpunkt mehr als eine "Zahlungsperiode" nach dem Bewertungsstichtag, so ist u. E. wie folgt zu verfahren: Kapitalwert auf den Laufzeitbeginn mit dem dann vollendeten Lebensalter ermitteln und diesen auf den Besteuerungszeitpunkt als Fälligkeitsforderung abzinsen (Aufschubzeit, § 12 Abs. 3 BewG i. V. m. Kapitalisierungserlass vom 10.10.2010, BStBl I 2010, 810).

 

Rz. 15

Der Zinssatz von 5,5 % ist in § 14 Abs. 1 Satz 3 BewG vom Gesetzgeber verbindlich vorgeschrieben worden und daher grds. auch dann maßgeblich, wenn sich der durchschnittliche Zinssatz für längerfristige Kapitalanlagen über dem Zinssatz von 5,5 % bewegt. Der festgelegte Zinssatz ist ein Normalzinssatz, der sich als mittlerer Wert bewährt hat und der die üblichen Schwankungen des Zinsniveaus am Kapitalmarkt berücksichtigt (vgl. z. B. BFH vom 17.10.1980, BStBl II 1981, 247).

Der (Durchschnitts-)Zinssatz von 5,5 % beherrscht das gesamte Bewertungsrecht (vgl. z. B. § 12 Abs. 3 Satz 2, § 13 Abs. 1 Satz 2 oder § 15 Abs. 1 BewG). Sein Sinn ist darin zu sehen, "zu verhindern, dass sich die dem Kapitalmarkt immanenten Zinsschwankungen auf die Bewertung, die längere Zeitspannen umfasst, in einem nicht vertretbaren Ausmaß auswirken" (BFH vom 17.10.1980, BStBl II 1981, 247). Die Anwendung des einheitlichen Zinssatzes von 5,5 % dient so der Praktikabilität des Bewertungsverfahrens als Massenverfahren. Denn die exakte Ermittlung des jeweils maßgeblichen "üblichen" Zinssatzes bereitet Schwierigkeiten, zumal es einen einheitlichen Zinssatz für die vielfältigen Kapitalanlagen nicht gibt. Die Maßgeblichkeit des gesetzlich normierten einheitlichen Zinssatzes von 5,5 % dient überdies der Gleichmäßigkeit der Bewertung und Besteuerung (vgl. auch BFH vom 26. August 1955, BStBl III 1955, 278).

Dementsprechend hat der BFH mit Urteil vom 26.11.1986 (BStBl II 1987, 271) darauf hingewiesen, dass verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 13 Abs. 1 Satz 2 BewG – und somit wohl auch gegen § 14 Abs. 1 Satz 3 BewG – nicht bestehen. Der Gesetzgeber habe mit dieser Regelung die Grenzen seiner Gestaltungsfreiheit nicht überschritten. Er habe im Interesse der gleichmäßigen Anwendung der Steuergesetze eine Regelung getroffen, die für die Bewertung aller wiederkehrenden Leistungen in gleicher Weise gelte und damit zugleich der Vorausberechenbarkeit der Steueransprüche sowie der Verwaltungsvereinfachung diene. Angesichts der Verpflichtung des Staates, bei seinen wirtschafts- und finanzpolitischen Maßnahmen zur Preisstabilität beizutragen, könne der Zinssatz von 5,5 v. H. nicht als sachwidrig angesehen werden.

 

Rz. 16

Mit Urteil vom 06.05.2020 (BStBl II 2020, 746) befasste sich der BFH mit dem Vorbehalt eines nachrangigen Nießbrauchs i. R.d. Schenkungsteuer und dessen Auswirkung auf § 6 BewG. Er...

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