Rz. 20

In Bezug auf den Erwerb durch Erbanfall folgt das ErbStG der herrschenden Lehre im Erbrecht, die von einem Vonselbsterwerb beim Erbfall ausgeht, d. h. von einem Vermögensübergang auf den Erben ohne dessen Zutun, insbesondere ohne dass dieser die Erbschaft angenommen oder auch nur Kenntnis von dieser haben muss (s. Weidlich in Grüneberg). Die Kenntnis vom Erbfall hat lediglich Bedeutung für die Berechnung der Ausschlagungsfristen, denn die Frist beginnt erst zu laufen, wenn der Erbe Kenntnis vom Anfall und vom Grund der Berufung nach § 1944 Abs. 2 BGB erlangt. Kommt es zu einer Ausschlagung, so gilt zivilrechtlich der Anfall an den Ausschlagenden als nicht erfolgt (s. § 1953 Abs. 1 BGB). Die Ausschlagung wirkt auf den Erbfall zurück. Erbe ist von Anfang an der Nächstberufene, vorausgesetzt, dieser schlägt die Erbschaft nicht ebenfalls aus (s. § 1953 Abs. 2 BGB). Mit der Ausschlagung entfällt rückwirkend auch die Erbschaftsteuerpflicht (s. § 3 Rn. 210). Sollte bereits ein Steuerbescheid ergangen sein, so ist dieser gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO aufzuheben.

 

Rz. 21

Anders als bei der Schenkung unter Lebenden (s. Rn. 130) soll es beim Erwerb von Todes wegen nicht darauf ankommen, ob der Erbe auch tatsächlich die Verfügungsbefugnis über die Nachlassgegenstände erlangt hat (s. BFH vom 28.11.1990, BFH/NV 1991, 243 m. w. N.). Dies wird von Kapp (StuW 1993, 67, 68) kritisiert, der der Ansicht ist, damit verstoße die Rechtsprechung gegen das Bereicherungsprinzip. Die von Kapp genannten Beispiele zeigen jedoch nur das allgemeine Problem auf, das beim ErbStG a. F. durch den Ansatz zu niedriger Grundbesitzwerte entstand, und haben mit dem Bereicherungsprinzip nichts zu tun. Sollte der Erblasser einen eindeutig wirtschaftlich nachteiligen Vertrag abgeschlossen haben, an den seine Erben gebunden sind, so ist dies dadurch zu berücksichtigen, dass sich ausnahmsweise Sachleistungsansprüche und Zahlungsverpflichtung aus dem schwebenden Vertrag nicht in gleicher Höhe gegenüberstehen.

 

Rz. 22

Die Anordnung von Testamentsvollstreckung ist damit für die Bemessung der Erbschaftsteuer ebenso wenig von Bedeutung wie die Beschränkung eines Miterben durch die anderen Erben bei einer Erbengemeinschaft. Dass Verfügungsbeschränkungen für die Erbschaftsteuer ohne Bedeutung sein sollen, kommt schließlich auch in § 6 ErbStG zum Ausdruck, der anordnet, dass der Vorerbe ohne Berücksichtigung der Beschränkungen durch die Nacherbschaft besteuert wird (s. § 6 Rn. 26). Zur Möglichkeit einer Korrektur der Steuerlast im Billigkeitswege bei erheblichen Wertschwankungen zwischen Steuerentstehung und Erlangung der tatsächlichen Verfügungsmacht s. Weinmann in M/W, § 11 Rn. 11 ff.

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