Rz. 9

Neben dem vereinfachten Ertragswertverfahren existieren auch einige branchentypische standardisierte Bewertungsverfahren (z. B. der AWH-Standard für Handwerksbetriebe). Diese Verfahren führen oftmals zu günstigeren Ergebnissen und sind deshalb vor dem vereinfachten Ertragswertverfahren auf ihre Anwendung zu prüfen. Andere, nicht standardisierte Verfahren wie etwa Verfahren nach dem IDW-S1-Standard sind mit hohen Kosten verbunden und daher nur bei großen Vermögen sinnvoll. Eine Bewertung nach dem vereinfachten Ertragswertverfahren ist theoretisch trotzdem möglich (s. § 199 Abs. 2 BewG). Dies bedeutet jedoch im Umkehrschluss, dass in den Fällen, in denen für nicht steuerliche Bewertungszwecke regelmäßig (nur) Multiplikatoren- oder Substanzwertverfahren zur Anwendung kommen, das vereinfachte Ertragswertverfahren i. S. d. BewG ausgeschlossen ist (s. R B 199.1 Abs. 1 ErbStR). Die FinVerw legt nicht genau fest, welches Verfahren anzuwenden ist, wenn sowohl das Ertragswertverfahren als auch eine andere anerkannte Bewertungsmethode, die nach § 199 Abs. 2 BewG erlaubt ist, angewendet werden darf (s. K/S/S, § 199, Rn. 3). Diese Methodenkonkurrenz (s. Piltz, DStR 2008, 745 (747)) könnte man dadurch lösen, dass die Beweisleist dafür, welche andere Methode anstelle der Ertragswertmethode anzuwenden ist, bei dem sich auf diese andere Methode Berufenden liegt (s. BStBl I 2009, 698 (707)).

 

Rz. 10

Folglich lässt sich zusammenfassen, dass grds. die Ertragswertmethode anzuwenden ist (s. Piltz, DStR 2008, 745 (748)). Ausnahmsweise kann der Steuerpflichtige auch eine andere Methode anwenden, vorausgesetzt, er weist die Üblichkeit dieser anderen Methode nach. Auch bei der Anwendung der Ertragswertmethode muss die Üblichkeit begründet werden (s. FG Sachsen vom 14.11.2018, EFG 2019, 377). Gelingt es dem Steuerpflichtigen, steht die Anwendung des vereinfachten Ertragswertverfahrens offen (s. ErbStR 199.1 Abs. 1 Satz 3). Das FA wäre somit daran gebunden, es sei denn, das Ergebnis des Verfahrens ist offensichtlich fehlerhaft (s. K/S/S, § 199, Rn. 3).

 

Rz. 11

Der Praktiker steht somit vor dem Problem, die einschlägigen branchentypischen Bewertungsverfahren in Erfahrung zu bringen, um dem Grunde nach entscheiden zu können, ob er das Wahlrecht zur Anwendung des vereinfachten Ertragswertverfahrens i. S. d. BewG ausüben kann. In einer Art vergleichenden "Vorabbewertung" kann dann überprüft werden, ob das vereinfachte oder das "echte" Ertragswertverfahren zu einem steuerlich günstigeren Ergebnis führt. 

 

Rz. 12

Es ist fraglich, ob das als Vereinfachung gedachte Wahlrecht i. S.d § 199 Abs. 4 Satz 1 ErbStR tatsächlich ein solches ist. Für die Ausübung des Wahlrechts ist eine Entscheidungsgrundlage notwendig. Diese bekommt man jedoch nur, wenn sowohl das branchentypische Ertragswertverfahren als auch das vereinfachte Ertragswertverfahren durchgeführt und deren Ergebnisse miteinander verglichen werden. Kreutziger (in K/S/S § 199, Rn. 8) ist der Meinung, dass die Gesetzesbegründung, dass der Steuerpflichtige durch das vereinfachte Ertragswertverfahren ohne hohen Ermittlungsaufwand oder Kosten für einen Gutachter einen objektiven Unternehmens- bzw. Anteilswert ermitteln kann, unbegründet ist.

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