Rz. 1

Erfolgt z. B. im Erbfall ein Übergang eines im Bau befindlichen Grundstücks, ist dieses Grundstück weder ein "echtes" unbebautes i. S. d. § 178 BewG noch ein bebautes Grundstück i. S. d. § 180 BewG. Die bereits im Bau befindliche Substanz erhöht die wertmäßige Bereicherung des Erben, wäre aber durch den Grundbesitzwert des unbebauten Grundstücks nicht berücksichtigt. Daher ist eine bewertungsrechtliche "Zwischenlösung" erforderlich.

 

Rz. 2

Ein Grundstück im Zustand der Bebauung liegt nach § 196 Abs. 1 BewG vor, wenn mit den Abgrabungsarbeiten oder mit der Einbringung von Baustoffen zur planmäßigen Errichtung eines Gebäudes oder Gebäudeteils begonnen worden ist und dieses Gebäude oder dieser Gebäudeteil noch nicht bezugsfertig ist. Der vorherige Abbruch eines Gebäudes oder Gebäudeteils ist noch nicht als Beginn der Baumaßnahme zur Errichtung des neu geschaffenen Gebäudes oder Gebäudeteils anzusehen. Der Zustand der Bebauung endet mit der Bezugsfertigkeit des ganzen Gebäudes, sofern es nicht in Bauabschnitten errichtet wird (R B 178 Abs. 3 ErbStR).

Gebäude im Zustand der Bebauung liegen auch dann vor, wenn durch An-, Aus- oder Umbauten an einem bereits vorhandenen Gebäude neuer Wohn- oder Gewerberaum geschaffen werden soll. Modernisierungsmaßnahmen erfüllen diese Voraussetzung regelmäßig nicht.

 

Rz. 3

Als Beginn der Abgrabungsarbeiten auf dem Grundstück ist der Zeitpunkt anzusehen, in dem mit den Erdarbeiten, insb. mit dem Ausschachten der Baugrube oder mit dem Planieren als Vorarbeiten für eine Bodenplatte, begonnen wird. Bis zum Beginn der Erdarbeiten sind die für die Planung des Gebäudes aufgewandten Kosten als immaterielles WG zu erfassen. Ab Beginn der Erdarbeiten sind die Planungskosten durch den Wert für das Grundstück im Zustand der Bebauung abgegolten. Sind für die Durchführung der Baumaßnahme keine Abgrabungsarbeiten erforderlich oder ist mit der Einbringung von Baustoffen zur planmäßigen Errichtung eines Gebäudes oder Gebäudeteils vor Durchführung der Erdarbeiten begonnen worden, ist für den Beginn der Baumaßnahme auf den Zeitpunkt der erstmaligen Verarbeitung von Baustoffen abzustellen.

 

Rz. 4

Ein Grundstück im Zustand der Bebauung liegt bis zur Bezugsfertigkeit des Gebäudes oder Gebäudeteils vor. Bezugsfertig ist ein Gebäude, wenn es den künftigen Bewohnern oder sonstigen Benutzern zugemutet werden kann, es zu benutzen; auf die Abnahme durch die Bauaufsichtsbehörde kommt es nicht an (§ 178 Abs. 1 BewG). Am Bewertungsstichtag müssen alle wesentlichen Bauarbeiten abgeschlossen sein. Dies ist nicht der Fall, wenn noch Klempnerarbeiten ausstehen, an der zur Wohnung führenden Treppe das Geländer fehlt, Türen und Fenster noch einzubauen sind, Anschlüsse für Strom- und Wasserversorgung verlegt werden müssen, die Heizung zu installieren ist, sanitäre Einrichtungen noch einzubauen sind oder der Untergrund für den Fußbodenbelag noch aufgebracht werden muss. Geringfügige Restarbeiten, die üblicherweise vor dem tatsächlichen Bezug durchgeführt werden (z. B. Malerarbeiten, Anbringen einer Antenne oder Satellitenanlage sowie Verlegen des Fußbodenbelags), schließen die Bezugsfertigkeit nicht aus. Ist das Gebäude am Bewertungsstichtag bezogen, begründet dies die widerlegbare Vermutung der Bezugsfertigkeit.

 
Praxis-Beispiel

E plant, auf einem unbebauten Grundstück ein Einfamilienhaus zu errichten.

Zeitlicher Ablauf:

 
März 2019 Beauftragung eines Architekten
Juni 2019 Einreichung Bauplan
Januar 2020 Genehmigung Bauplan
01.02.2020 Beginn Aushub der Baugrube
März 2020 Fundament
Oktober 2020 Einzug
28.11.2020 Anbringung des Treppengeländers
Dezember 2020 Letzte Malerarbeiten und Verlegen der Teppichböden

Lösung:

Als Beginn der Abgrabungsarbeiten auf dem unbebauten Grundstück ist der Zeitpunkt anzusehen, in dem mit den Erdarbeiten, insb. mit dem Ausschachten der Baugrube, begonnen wurde. Bezugsfertig ist das Einfamilienhaus dann, wenn den Bewohnern die Benutzung zugemutet werden kann, d. h. wenn alle wesentlichen Bauarbeiten abgeschlossen sind. Dies ist dann erst der Fall, wenn aufgrund der Sicherheit das Treppengeländer angebracht ist. Der tatsächliche Einzug begründet lediglich eine widerlegbare Vermutung der Bezugsfertigkeit. Geringfügige Restarbeiten (Dezember 2020) schließen die Bezugsfertigkeit jedoch nicht aus.

Liegt der Besteuerungszeitpunkt zwischen dem 01.02.2020 und dem 28.11.2020, ist ein Grundstück im Zustand der Bebauung Gegenstand des Erwerbs. Davor wäre ein unbebautes und danach ein bebautes Grundstück zu bewerten.

 

Rz. 5

Wird ein Gebäude in Bauabschnitten errichtet, ist nach R B 196.1 Abs. 4 Satz 7 ff. ErbStR die Entscheidung, ob sich ein Gebäude im Zustand der Bebauung befindet, unter Berücksichtigung der bis zum Bewertungsstichtag eingetretenen Verhältnisse nach der Verkehrsanschauung zu treffen. Es kommt also darauf an, wie der Schenker oder EL Bauvorhaben durchführen wollte. Nach dem Bewertungsstichtag durchgeführte Baumaßnahmen bleiben bei der Entscheidung, ob eine abschnittsweise Errichtung eines Gebäude...

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