Rz. 80

Im Einzelnen müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein, um den rückwirkenden Wegfall der Steuerlast zu erlangen:

 

Rz. 81

  • Die durch Schenkung oder Erbschaft erworbenen Vermögensgegenstände müssen weitergegeben werden. Streitig ist, ob auch die Weitergabe eines Surrogats ausreichend ist (befürwortend: Lüdicke, ZEV 2007, 254; Moench in M/W, § 29 ErbStG Rn. 16; Hannes/Holtz in M/H/H, § 29 ErbStG Rn. 19; Troll, DB 1991, 672; Jülicher in T/G/J/G, § 29 Rn. 99; Geck in K/E, § 29 Rn. 59.4).
 

Rz. 82

  • Die Weitergabe muss innerhalb einer Frist von 24 Monaten erfolgen. Für den Beginn der Frist ist der Zeitpunkt der Entstehung der Steuer nach § 9 ErbStG maßgeblich. Das Motiv für die lange Frist von zwei Jahren bestand darin, auch Zuwendungen an Stiftungen zu ermöglichen, die erst noch gegründet werden müssen. Die Frist kann unter Umständen nicht eingehalten werden, wenn sich die Erteilung eines Erbscheins aufgrund von Erbstreitigkeiten verzögert oder ein Vermächtnis erst zu einem späten Zeitpunkt erfüllt wird. Hannes/Holtz in M/H/H schlagen in diesem Fall Billigkeitsmaßnahmen der FinBeh vor, wenn sich der Steuerpflichtige innerhalb der Zweijahresfrist zur Weitergabe verpflichtet, diese aber nicht mehr umgesetzt werden kann (s. Hannes/Holtz in M/H/H, § 29 Rn. 17).
 

Rz. 83

  • Die Weitergabe muss an eine inländische Gebietskörperschaft oder eine inländische Stiftung erfolgen. Eine inländische Gebietskörperschaft kann der Bund, ein Land oder eine Gemeinde sein. Hierdurch soll insbesondere eine Weitergabe an staatliche Museen begünstigt werden. Bei einer Übertragung an eine inländische Stiftung muss diese ausschließlich und unmittelbar als gemeinnützig anzuerkennenden steuerbegünstigten Zwecken i. S. d. §§ 52 bis 54 AO dienen. Ausgenommen sind jedoch die Zwecke nach § 52 Abs. 2 Nr. 23 AO, also Tier- und Pflanzenzucht, Kleingärtnerei, Brauchtum, Fasching, Soldaten- und Reservistenbetreuung, Amateurfunk, Modellflug und Hundesport. Für Erwerbe bis 31.12.1999 war der Kreis der begünstigten Zwecke noch auf wissenschaftliche und kulturelle Zwecke beschränkt. Maßgeblich für die Beurteilung der verfolgten Zwecke sind die Satzung, das Stiftungsgeschäft oder die sonstige Verfassung der Stiftung und auch ihre tatsächliche Geschäftsführung. Unerheblich ist, ob es sich um eine rechtsfähige Stiftung oder um eine nichtrechtsfähige Stiftung handelt (s. OFD München vom 07.03.2003, ZEV 2003, 239). Für die Anwendung von § 29 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG ist irrelevant, ob die Stiftung die Zuwendung nach § 62 Abs. 3 AO dauerhaft dem Vermögen zuführt und ggf. in einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb einsetzt oder unmittelbar i. S. v. § 55 Abs. 1 Nr. 5 AO für steuerbegünstigte Zwecke verwendet. Da § 29 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG nicht auf die Verwendung beim begünstigten Empfänger abstellt, dürfte die Vorschrift auch für Zuwendungen an Verbrauchsstiftungen anwendbar sein (s. von Oertzen und Schienke-Ohletz, ZEV 2015, 609). Eine nachträgliche Aberkennung der Steuerbegünstigung der Stiftung lässt die steuererlöschende Wirkung der Zuwendung nicht entfallen, da es an einer § 13 Abs. 1 Nr. 16b Satz 3 ErbStG vergleichbaren Nachversteuerungsregelung fehlt.
 

Rz. 84

  • Die Stiftung darf nicht dazu verpflichtet werden, Leistungen nach § 58 Nr. 5 AO an den Übergeber oder seine nächsten Angehörigen zu erbringen. Hierzu gehören insbesondere Unterhaltsleistungen, die Pflege der Gräber und die Ehrung des Andenkens. Unerheblich ist, ob die Grenze i. H. v. einem Drittel des Stiftungseinkommens des § 58 Nr. 5 AO überschritten wird. Unschädlich ist außerdem, wenn der Zuwendende kein Stifter ist und solche Leistungen an den Stifter und dessen Angehörige erfolgen. Mit dem Ehrenamtsstärkungsgesetz vom 21.03.2013 wurde die bisherige Regelung in Nr. 5 des § 58 AO zu Nr. 6, wobei jedoch eine redaktionelle Anpassung des § 29 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG durch den Gesetzgeber bisher unterblieb.
 

Rz. 85

  • Der Übergeber darf für die Zuwendung den Sonderausgabenabzug nach § 10b EStG nicht beanspruchen. Auch darf keine Berücksichtigung der Spende nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 KStG oder § 9 Nr. 5 GewStG erfolgen. Das Wahlrecht zwischen der Begünstigung nach § 29 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG und der einkommensteuerlichen Begünstigung wird in der Einkommensteuererklärung (bzw. der Körperschaft- oder Gewerbesteuererklärung) ausgeübt. Der Steuerpflichtige hat in der Einkommensteuererklärung (bzw. der Körperschaft- oder Gewerbesteuererklärung) des Zuwendungsjahrs gegenüber dem FA unwiderruflich zu erklären, in welcher Höhe er den ertragsteuerlichen Spendenabzug in Anspruch nimmt. Diese Erklärung ist dann auch für die Begünstigung nach § 29 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG bindend.
 

Rz. 86

Die Weitergabe von Vermögen an eine begünstigte Körperschaft kann nicht nur unter Lebenden, sondern auch von Todes wegen erfolgen, wenn der Erbe oder Beschenkte innerhalb der Zweijahresfrist verstirbt. Wendet der Erbeserbe einen ererbten Gegenstand einer begünstigten Körperschaft zu, bringt er damit nicht nur seine eigene Steuerlast zum Erlöschen, sondern a...

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