Rz. 783

Im Allgemeinen schließen sich erbschaftsteuerliche/schenkungsteuerliche Tatbestände und einkommensteuerliche Tatbestände bereits deshalb aus, da die Erbschaftsteuer typischerweise an unentgeltliche Vermögensübertragungen anknüpft, während die Einkommensteuer entgeltliche Vorgänge erfasst (vgl. auch Crezelius, ZEV 2011, 393, 395; Kirchhof, Bundessteuergesetzbuch, 2011, § 6 Rz. 1; Birnbaum, DStR 2011, 252, 255; BFH vom 27.08.2014, BStBl II 2015, 249; vom 12.08.2011, BFH/NV 2012, 229; vom 02.09.2015, BFH/NV 2015, 1586, vom 20.01.2015, BFH/NV 2016, 848). Allerdings mehren sich in jüngster Zeit Fälle, bei denen es zu einer Doppelbelastung kommt. Zu denken ist hier bspw. an unentgeltliche Zuwendungen (Spenden) an Kapitalgesellschaften (FG Nürnberg vom 29.07.2010, DStR 2011, 227) oder latente Einkommensteuer bei geerbten Forderungen (BFH vom 17.02.2010, BStBl II 2010, 641). Den Bereich der verdeckten Gewinnausschüttungen, den die FinVerw bisher neben der Ertragsbesteuerung auch der Schenkungsteuer unterwerfen wollte (vgl. Rn. 433 ff.), ist zwischenzeitlich vom BFH (vom 30.01.2013, BStBl II 2013, 930; vom 13.08.2017, BStBl II 2018, 292, 296, 299) dergestalt entschieden, dass nur der ertragsteuerliche Bereich tangiert ist. Die FinVerw hat dies akzeptiert (R E 7.5 Abs. 1 Satz 1 ErbStR).

 

Rz. 784

Bei unentgeltlichen Übertragungen ist der Vorgang regelmäßig einkommensteuerlich unbeachtlich. Der Bedachte führt die Steuerwerte des übertragenen Vermögens fort. Er hat keine (eigene) Anschaffungskosten, der Zuwendende hat keinen Veräußerungserlös. Gleichwohl können Überschneidungen, Wechselwirkungen und steuerrelevante Zurechnungen zwischen den beiden Steuerarten entstehen, so dass im Beratungsalltag neben den schenkungsteuerlichen Auswirkungen eines Vorgangs immer noch zusätzlich geprüft werden muss, ob hierdurch ein einkommensteuerlicher Tatbestand ausgelöst wird, der dem schenkungsteuerlichen Vorgang ggf. vor- oder nachgelagert sein kann. In der Praxis sind daher die Verzahnungen zwischen Erbschaftsteuer und Einkommensteuer, insbesondere bei Betriebsübergängen im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge, größer als theoretisch zu vermuten wäre. Gerade in der Verzahnung der beiden Steuerarten steckt ein nicht zu unterschätzendes Haftungsrisiko des steuerlichen Beraters, dem daher nur angeraten werden kann, bei unentgeltlichen Vermögensübertragungen immer auch einen Blick auf das Einkommensteuerrecht zu richten.

 

Rz. 785

In Betracht kommen hier insbesondere Fälle der Betriebsübertragung und der Übertragung sonstigen Vermögens im Rahmen vorweggenommener Erbfolge, die je nach Ausgestaltung des Übertragungsvertrages als freigebige Zuwendung, gemischt-freigebige Zuwendung, aber auch als vollentgeltlicher Erwerb vorgenommen werden können (Einzelheiten hierzu s. Rn. 801 ff. und s. Rn. 826 ff.).

 

Rz. 786

Ebenfalls können Wechselwirkungen zwischen Schenkungsteuer und Einkommensteuer eintreten, wenn einzelne Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens aus privaten Gründen unentgeltlich auf andere Personen übertragen werden. Dann liegt der Übertragung zwangsläufig eine vorgelagerte Entnahme zugrunde, die einen Entnahmegewinn hervorrufen kann. Dies gilt selbst dann, wenn der Bedachte den Gegenstand unmittelbar nach der Zuwendung wieder in ein Betriebsvermögen überführt (BFH vom 14.04.1967, BStBl III 1967, 391; vom 28.02.1974, BStBl II 1974, 481). Bei derartigen Gestaltungen besteht daher regelmäßig die Gefahr, dass die Entnahme eine Einkommensteuerbelastung und die anschließende freigebige Zuwendung noch zusätzlich eine Schenkungsteuerbelastung auslöst. Eine Steigerung zu dieser "einfachen Doppelbesteuerung" mit Einkommen- und Schenkungsteuer ist dann gegeben, wenn das entnommene und anschließend übertragene Wirtschaftsgut die wesentliche Betriebsgrundlage des Unternehmens darstellt, so dass durch die Entnahme eine Betriebsaufgabe bewirkt wird. Rettung kann hier ggf. die Gestaltung einer Betriebsunterbrechung bringen, die allerdings erfordert, dass eine Wiederzusammenführung der wesentlichen Betriebsgrundlagen (bspw. durch Verpachtung) stattfindet. Zu Einzelheiten vgl. BFH vom 21.09.2000, BFH/NV 2001, 374 sowie Märkle, BB 2002, 17.

 

Rz. 787

Ebenfalls zu beachten ist, dass durch die Entnahme eines Wirtschaftsguts aus dem Betriebsvermögen ein Wechsel der Vermögensart (z. B. von Betriebsvermögen zu sonstigem Vermögen) eintritt, der ggf. auf die Ermittlung der Bereicherung des Bedachten Auswirkungen haben kann. Dies ist dann der Fall, wenn sich hierdurch die Bewertung des zugewandten Gegenstands gem. § 12 ErbStG ändert oder eine Steuerbefreiung gem. §§ 13 bis 13d ErbStG entfällt.

 
Praxis-Beispiel

V Betreibt ein Logistikunternehmen. Nachdem er sich einen neuen Fuhrpark angeschafft hat, schenkt er seinem Sohn S, der in einer anderen Stadt ebenfalls ein Logistikunternehmen betreibt, die alten Lkw. Der Buchwert der Lkw beträgt 100.000 EUR, der Verkehrswert 500.000 EUR.

Lösung:

Durch die freigebige Zuwendung der Lkw an S entnimmt V die Lkw aus dem Betrieb...

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