Schrifttum

Rößler, Teilurteile und Zwischenurteile im finanzgerichtlichen Verfahren, BB 1984, 204;

Rößler, Das Zwischenfeststellungsurteil nach § 99 Abs. 2 AO, StB 1994, 181;

Arnold, Das Grundurteil, Diss. Passau, 1995.

A. Allgemeines, Bedeutung der Vorschrift

 

Tz. 1

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Die Vorschrift erlaubt eine Vorabentscheidung über einzelne Streitpunkte durch Zwischenurteil nicht nur bei bestimmten Klagearten, sofern Grund und Betrag streitig sind, durch Grundurteil (§ 99 Abs. 1 FGO), sondern auch über entscheidungserhebliche Sach- oder Rechtsfragen (§ 99 Abs. 2 FGO). Die Umdeutung eines nicht statthaften Grundurteils nach Abs. 1 in ein statthaftes Zwischenurteil nach Abs. 2 ist möglich, wenn sich erkennen lässt, dass das Gericht eine Zwischenentscheidung treffen wollte (BFH v. 17.12.2008, III R 22/06, BFH/NV 2009, 1087). Die Vorschrift soll der Prozessökonomie dienen, indem aufwändige Beweisaufnahmen z. B. über die Höhe des Steueranspruchs vermieden werden, wenn der Anspruch bereits dem Grunde nach streitig ist. Gleichwohl wird von dieser Möglichkeit in der Praxis nur selten Gebrauch gemacht.

 

Tz. 2

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Ob das Gericht von der Möglichkeit der Vorabentscheidung durch Zwischenurteil Gebrauch macht, steht in seinem Ermessen. Zulässigkeit der Klage ist stets Voraussetzung. Für den Erlass eines Grundurteils hat es im Hinblick auf die Prozessökonomie insbes. abzuwägen, welcher Ermittlungsaufwand hinsichtlich des strittigen Betrages nach Art und Umfang erforderlich sein wird und ob die durch den Erlass eines Zwischenurteils aufgeschobenen Ermittlungen ohne wesentliche Erschwerung auch später angestellt werden können. Hinsichtlich der zu treffenden Ermessensentscheidung, ob ein Zwischenurteil nach § 99 Abs. 2 FGO in Betracht kommt, wird der Ermessensspielraum durch die Vorschrift selbst eingeschränkt auf die Sachdienlichkeit.

B. Tatbestandliche Voraussetzungen

I. Vorabentscheidung über den Grund

 

Tz. 3

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Vorabentscheidungen über den Grund des Klageanspruchs können nach § 99 Abs. 1 FGO – ohne dass es der Zustimmung der Beteiligten bedarf – ergehen, wenn sowohl über den Grund wie über den Betrag gestritten wird, der Streit über den Grund, nicht aber auch über den Betrag, spruchreif ist und ein Interesse besteht, hinsichtlich des Grundes zu einer selbstständig anfechtbaren Entscheidung zu gelangen. Voraussetzung ist aber, dass sich der Streit über den Grund des Anspruchs von demjenigen über die Höhe des Anspruchs trennen lässt (BFH v. 27.07.2010, I B 61/10, BFH/NV 2010, 2119 m. w. N.). Ob das Gericht hiernach verfahren will, hat es – unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten – nach pflichtmäßigem Ermessen zu entscheiden (s. Rz. 2). Ist nur der Grund oder nur der Betrag streitig, ergeht Endurteil (BFH v. 20.01.1988, II R 105/87, BFH/NV 1989, 311). Die Möglichkeit, nach § 99 Abs. 1 FGO durch Zwischenurteil über den Grund des Anspruchs zu befinden, ist auf Leistungsklagen einschließlich der Verpflichtungsklage, sofern der begehrte Verwaltungsakt eine Geldleistung betrifft, und auf Anfechtungsklagen gegen Verwaltungsakte, die einen bezifferten Anspruch betreffen, begrenzt.

 

Tz. 4

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Anspruch i. S. der Vorschrift ist nicht der verfahrensrechtliche Anspruch, der mit der Klage geltend gemachte Anspruch auf Festsetzung (Herabsetzung eines festgesetzten) Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis in einem bestimmten Ausmaß, sondern der materiellrechtliche Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis (BFH v. 30.03.1989, IV R 71/88, BFH/NV 1990, 228). Da bei Nichtbestehen des Anspruchsgrunds kein Urteil nach § 99 Abs. 1 FGO ergehen kann, sondern Endurteil ergehen muss, liegt der prozessökonomische Zweck des Grundurteils darin, umfangreiche Ermittlungen zur Betragshöhe zu ersparen, die sich erübrigen, wenn das Revisionsgericht die Rechtsauffassung des FG zum Anspruchsgrund nicht teilt (s. BFH v. 14.07.1982, II R 1/81, BStBl II 1983, 25). Die Rechtsprechung hat jedoch den Anwendungsbereich sehr verengt: ein Grundurteil komme nur in Betracht, wenn die Möglichkeit bestehe, den Prozess endgültig zu erledigen (BFH v. 20.06.1968, IV R 222/66, BStBl II 1968, 804; BFH v. 30.05.1975, III R 72/74, BStBl II 1975, 714). Im Übrigen hat die Rechtsprechung des BFH (abgesehen vom Gebiet der Einzelsteuern, s. BFH v. 14.07.1982, II R 1/81, BStBl II 1983, 25) den Anwendungsbereich des § 99 Abs. 1 FGO einerseits durch Rückgriff auf die Entscheidung des Großen Senats v. 17.07.1967 GrS 1/66, BStBl II 1968, 344 zum Streitgegenstandsbegriff eingrenzt (s. BFH v. 20.06.1968, IV R 222/66, BStBl II 1968, 804; BFH v. 06.11.1969, IV R 209/67, BStBl II 1970, 188; BFH v. 14.05.1980, I R 135/77, BStBl II 1980, 695) und andererseits klargestellt, dass einzelne Besteuerungsgrundlagen nicht Ansprüche i. S. des § 99 Abs. 1 FGO sind, weil Anspruch in diesem Sinn stets der gesamte Steueranspruch ist (vgl. BFH v. 25.02.2010, IV R 24/07, BFH/NV 2010, 1491). Deshalb ist in Streitsachen wegen (einheitlicher und) gesonderter Gewinnfeststellung der Erlass eines Grundurteils schlechthin unzulässig (BFH ...

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