1 Allgemeines

 

Rz. 1

§ 99 FGO ermöglicht es dem Gericht, vorab, d. h. vor einer Endentscheidung, über bestimmte tatsächliche und materiell-rechtliche Vorfragen zu entscheiden.[1] Die Vorschrift dient der Prozessökonomie und soll das gerichtliche Verfahren beschleunigen und vereinfachen. Durch ein Zwischenurteil nach § 99 FGO sollen umfangreiche und langwierige, ggf. auch kostenaufwändige Ermittlungen vermieden werden.[2]

 

Rz. 2

§ 99 FGO regelt zwei verschiedene Arten von Zwischenurteilen. Ein Zwischenurteil über den Grund (Grundurteil nach § 99 Abs. 1 FGO) kommt nur in Betracht, wenn das Gericht den strittigen Anspruch dem Grunde nach für gegeben hält und beim Streit über die Höhe voraussichtlich nicht Null herauskommen wird.[3] Darüber hinaus erlaubt es der seit 1.1.1993 geltende[4] § 99 Abs. 2 FGO, auch dann vorab durch ein Zwischenurteil zu entscheiden, wenn andere entscheidungserhebliche Sach- oder Rechtsfragen streitig sind. Ein Zwischenurteil nach § 99 Abs. 2 FGO erfolgt i. d. R. dann, wenn anzunehmen ist, dass die Beteiligten sich damit zufriedengeben.

 

Rz. 3

Das Zwischenurteil nach § 99 FGO ist ein selbstständiges Zwischenurteil.[5] Zu beachten ist, dass voneinander getrennte Streitpunkte im Rahmen eines Zwischenurteils nach § 99 Abs. 2 FGO eigenständige Streitgegenstände darstellen, die auch isoliert angefochten werden können.[6]

 

Rz. 4

In der Praxis sind Grundurteile nach § 99 Abs. 1 FGO selten. Zum einen dürften Fälle, in denen Gründe der Prozessökonomie für ein Grundurteil sprechen, selten sein. Zum anderen engt die Rspr. des BFH ihren Anwendungsbereich erheblich ein. So hob der BFH häufig Grundurteile auf, da die Voraussetzungen des § 99 Abs. 1 FGO nicht vorlagen und sie damit unzulässig waren. Zwischenurteile ergehen überwiegend gem. § 99 Abs. 2 FGO, da diese Zwischenurteile Entscheidungen zu den verschiedensten entscheidungserheblichen Sach- oder Rechtsfragen ermöglichen, wenn Kläger oder Beklagter dem nicht widersprechen. Allerdings sollte von der Möglichkeit, ein Zwischenurteil nach § 99 FGO zu erlassen, nur zurückhaltend Gebrauch gemacht werden, da der Rechtsstreit möglicherweise nach dessen Erlass fortgeführt wird. Dem Rechtsfrieden und der Prozessökonomie wäre dann nicht gedient.

Rz. 5, 6 einstweilen frei

[1] Lange, in HHSp, AO/FGO, § 99 FGO Rz. 4.
[2] Brandis, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 99 FGO Rz. 1; Gräber/Stapperfend, FGO, 9. Aufl. 2019, § 99 Rz. 2.
[3] Brandis, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 99 FGO Rz. 2.
[4] Art. 1 Nr. 21, Art. 9 FGO-Änderungsgesetz v. 21.12.1992, BGBl I 1992, 2109.

2 Zwischenurteil über den Grund (Grundurteil, § 99 Abs. 1 FGO)

2.1 Allgemeines

 

Rz. 7

Ein Grundurteil nach § 99 Abs. 1 FGO kann – auch gegen den Willen der Beteiligten – ergehen, wenn bei einer Leistungsklage oder einer Anfechtungsklage[1] gegen bestimmte Verwaltungsakte ein Anspruch dem Grunde und der Höhe nach strittig ist. Voraussetzung für ein Grundurteil nach § 99 Abs. 1 FGO ist, dass sämtliche den Anspruchsgrund betreffenden Streitpunkte erledigt werden, sodass nach Ergehen des Zwischenurteils nur noch über die Höhe der streitigen Steuer zu entscheiden ist. Der Anspruchsgrund muss feststehen.[2] Ein Grundurteil ist nur dann zulässig, wenn der Anspruchsgrund zu bejahen ist und der Steueranspruch mit hoher Wahrscheinlichkeit in irgendeiner Höhe besteht.[3]

 

Rz. 8

Ein Grundurteil, mit dem (auch) über die Höhe des Anspruchs oder einzelne – die Höhe des Steueranspruchs beeinflussende – Besteuerungsgrundlagen entschieden wird, ist nicht zulässig.[4] Denkbar wäre aber in einem solchen Fall ein Zwischenurteil nach § 99 Abs. 2 FGO, falls dessen Voraussetzungen vorliegen.

2.2 Voraussetzungen

2.2.1 Klagearten

 

Rz. 9

Ein Grundurteil nach § 99 Abs. 1 FGO kann bei Leistungsklagen[1] ergehen. Hierzu zählen die Verpflichtungsklage als besondere Art der Leistungsklage, bei der die begehrte Leistung im Erlass eines Verwaltungsakts besteht[2], sowie die allgemeine Leistungsklage. Besteht bei einer Leistungsklage der Anspruch des Klägers nicht, ist die Klage durch Endurteil, nicht durch Grundurteil abzuweisen.[3] Weiter kann ein Grundurteil im Rahmen einer Anfechtungsklage[4] erfolgen. Im Fall einer Anfechtungsklage kann ein Grundurteil nur dann ergehen, wenn die vom Kläger bestrittene Steuerforderung dem Grunde nach bejaht wird. Besteht die Steuerforderung dem Grunde nach nicht, ist der Klage durch Endurteil stattzugeben.[5] Ein Grundurteil ist demnach nur im Rahmen von Feststellungsklagen[6] ausgeschlossen.[7]

[2] Lange, in HHSp, AO/FGO, § 99 FGO Rz. 10.
[3] Brandis, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 99 FGO Rz. 3.
[5] Brandis, in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 99 FGO Rz. 3; BFH v. 14.7.1982, II R 1/81, BStBl II 1983, 25.
[7] Schmidt-Troje, in Gosch, AO/FGO, § 99 FGO Rz. 4.

2.2.2 Strittiger Anspruch

 

Rz. 10

Anspruch i. S. d. § 99 ...

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