Schrifttum

Rozek, Verwirrspiel um § 78 VwGO? – Richtiger Klagegegner, passive Prozessführungsbefugnis und Passivlegitimation, JuS 2007, 601;

Schellhammer, Zivilprozess, 15. Aufl. 2016.

 

Tz. 1

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

§ 63 FGO stellt klar, wer im Klagensystem der FGO (§§ 40, 41 FGO) richtiger Beklagter i. S. von § 57 Nr. 2 FGO ist, und zwar ohne Rücksicht darauf, welche öffentlich-rechtliche Körperschaft innerhalb des zugrunde liegenden Steuerrechtsverhältnisses Träger der streitigen Rechte und Pflichten ist (gl. A. Brandis in Tipke/Kruse, § 63 FGO Rz. 1; Paetsch in Gosch, § 63 FGO Rz. 3; Herbert in Gräber, § 63 FGO Rz. 2; Schallmoser in HHSp, § 63 FGO Rz. 5; BFH v. 21.07.2009, VIII R 52/08, BStBl II 2010, 51; BFH v. 27.01.2009, X S 43/08, juris; a. A. Rozek, JuS 2007, 601 für den Verwaltungsprozess). Die Beklagtenstellung kommt im finanzgerichtlichen Verfahren daher nicht der öffentlich-rechtlichen Körperschaft zu, bei der die Verwaltungshoheit oder gar die Ertragshoheit der Abgabe liegt, um die gestritten wird, sondern gem. § 63 Abs. 1 FGO der Finanzbehörde – regelmäßig FA oder HZA –, die den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen oder den beantragten Verwaltungsakt oder die andere Leistung unterlassen oder abgelehnt hat. Dies gilt auch dann, wenn die organisatorische Zuständigkeit für die Gewährung des Erlasses einer mittleren oder obersten Finanzbehörde zusteht (so auch FG BW v. 28.09.1979, IX 193/78 [V 210/75], EFG 1980, 135). Die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes nur gegenüber der Steuerbehörde begehrt werden, die den angeblich nichtigen Verwaltungsakt erlassen hat (BFH v. 10.03.2000, II B 103/99, BFH/NV 2000, 1116). Damit gilt in der FGO das Behördenprinzip und nicht das für den allgemeinen Verwaltungsprozess (vgl. § 78 VwGO) und im Sozialprozess geltende Rechtsträgerprinzip (vgl. Littmann in Lüdtke/Berchtold, § 70 SGG Rz. 4). § 63 FGO gilt auch in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (§§ 69, 114 FGO; BFH v. 17.07.2008, VI B 40/08, BFH/NV 2008, 1874).

 

Tz. 2

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Wegen der örtlichen Zuständigkeit der Finanzbehörden vgl. § 17ff. AO, insbes. zum Zuständigkeitswechsel s. § 26 AO und die dortigen Erläuterungen.

 

Tz. 3

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Die Frage des richtigen Beklagten bzw. die Prozessführungsbefugnis der beklagten Behörde ist eine – von Amts wegen zu beachtende – Sachentscheidungsvoraussetzung, bei deren Fehlen die Klage durch Prozessurteil als unzulässig abzuweisen ist (BFH v. 19.05.2008, V B 29/07, BFH/NV 2008, 1501; BFH v. 13.05.2014, XI B 129-132/13, BFH/NV 2014, 1385; BFH v. 02.12.2015, I R 3/15, BFH/NV 2016, 939; s. Vor FGO Rz. 37). Daher stellt die fehlerhafte Beurteilung der Prozessführungsbefugnis ungeachtet der Tatsache, dass sie den Inhalt der angefochtenen Entscheidung bildet, einen Verfahrensmangel i. S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO dar (BFH v. 10.03.2000, II B 103/99, BFH/NV 2000, 1116; BFH v. 09.02.2007, XI B 103/06, BFH/NV 2007, 965.

 

Tz. 4

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Soweit hinsichtlich der zu verwaltenden Abgaben Gläubiger nicht die öffentlich-rechtliche Körperschaft ist, der das FA oder HZA verwaltungsorganisatorisch zugehört (Land bzw. Bund), sondern eine andere öffentlich-rechtliche Körperschaft, der die Abgabe ganz oder teilweise zufließt (Art. 106, 107 GG), charakterisiert sich die Beteiligtenstellung der verwaltenden Behörde als sog. Prozessstandschaft (BGH v. 29.05.1958, VII ZR 50/57, BStBl I 1958, 710 betreffend die Stellung der FA bei der Verwaltung der damals allein dem Bund zufließenden USt). Prozessstandschaft in diesem Sinne liegt vor, wenn jemand ermächtigt ist, ein fremdes materielles Recht im eigenen Namen prozessual geltend zu machen bzw. für die mit diesem Recht verbundenen Verpflichtungen als Prozesspartei einzustehen (z. B. Schellhammer, Rz. 1203). Wegen der Erfüllung dieser Verpflichtungen im Rahmen der Zwangsvollstreckung s. § 151 FGO Rz. 1.

 

Tz. 5

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Richtet der Kläger seine Klage gegen die falsche Behörde, ist seine Klage unzulässig (s. Rz. 3). Dies gilt auch dann, wenn die ursprüngliche Zuständigkeit falsch beurteilt worden war (BFH v. 09.02.2007, XI B 103/06 BFH/NV 2007, 965) und auch für den Fall, dass dem Kläger ein Zuständigkeitswechsel auf Behördenseite zunächst unbekannt bleibt und er deshalb seine Klage gegen eine nach der Vorschrift nicht passiv legitimierte Behörde richtet, was wegen der Konstruktion des § 26 AO möglich ist. Nach Gewährung des notwendigen rechtlichen Gehörs (vgl. insbes. auch § 76 Abs. 2 FGO) wird der Kläger seine Klage zur Vermeidung ihrer Abweisung durch Prozessurteil auf die richtige beklagte Behörde gem. § 67 FGO umstellen müssen. Eine solche Klageänderung ist sachdienlich i. S. von § 67 Abs. 1 FGO (gl. A. Paetsch in Gosch, § 63 FGO Rz. 42). In solchen Fällen ist im Hinblick auf die im Regelfall abgelaufene Klagefrist (zur Notwendigkeit ihrer Einhaltung bei Wechsel eines Beteiligten BFH v. 26.02.1980 BStBl II 1980, 331; BFH v. 31.01.2005, VII R 3...

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