A. Bedeutung der Vorschrift

 

Tz. 1

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Die Vorschrift trifft Regelungen, innerhalb welcher Frist die Vollstreckungskosten festzustellen sind (sog. Kostenansatz, § 346 Abs. 2 AO) und unter welchen Voraussetzungen ausnahmsweise keine Kosten erhoben werden (§ 346 Abs. 1 AO).

B. Tatbestandliche Voraussetzungen

 

Tz. 2

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§ 346 Abs. 1 AO ordnet an, dass Kosten, die bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären, nicht zu erheben sind. Eine unrichtige Sachbehandlung liegt aber nicht schon bei jeder rechtswidrigen Behandlung der Sache vor, sondern nur dann, wenn sich die Vollstreckungsmaßnahme unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalls im Zeitpunkt ihrer Vornahme durch die Finanzbehörde dadurch als offensichtlich fehlerhaft erweist (evidenter Gesetzesverstoß), dass die rechtlichen Voraussetzungen für ihre Durchführung nicht vorliegen oder dass die Grenzen des der Finanzbehörde zustehenden Ermessens deutlich überschritten worden sind (BFH v. 27.10.2004, VII R 65/03, BStBl II 2005, 198; Hohrmann in HHSp, § 346 AO Rz. 6; Loose in Tipke/Kruse, § 346 AO Rz. 2 ff.; s. auch Brandis in Tipke/Kruse, Vor § 135 FGO Rz. 30). Die zu den Parallelvorschriften im GKG (§ 21 GKG, vormals § 8 GKG) und § 7 Abs. 1 GvKostG ergangene Rspr. kann insoweit auch zur Auslegung der "unrichtigen Sachbehandlung" i. S. des § 346 Abs. 1 AO herangezogen werden. Nicht ausreichend ist die bloße Unzweckmäßigkeit einer Vollstreckungsmaßnahme oder die Aufhebung der Vollstreckungsmaßnahme in einem durch den Vollstreckungsschuldner angestrengten Rechtsbehelfsverfahren (BFH v. 27.10.2004, VII R 65/03, BStBl II 2005, 198; so aber Werth in Klein, § 346 AO Rz. 2). Fehler bei der Steuerfestsetzung spielen für die Beurteilung der Richtigkeit der Sachbehandlung im Vollstreckungsverfahren keine Rolle (s. § 256 AO).

 

Tz. 3

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Da die Vollstreckungskosten gem. § 3 Abs. 3 AO zu den steuerlichen Nebenleistungen zählen, musste mit Rücksicht auf § 1 Abs. 3 Satz 2 AO eine besondere Regelung für die Festsetzung der Vollstreckungskosten, getroffen werden. Die Festsetzung der Kosten erfolgt durch einen selbstständigen Verwaltungsakt, den sog. Kostenansatz. Die Festsetzungsfrist beträgt 1 Jahr (§ 346 Abs. 2 Satz 1 AO) und beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, im dem die Kosten entstanden sind (§ 346 Abs. 2 Satz 2 AO; zu den Entstehenszeitpunkten von Pfändungs-, Wegnahme-, und Verwertungsgebühr s. § 339 AO Rz. 3; s. § 340 AO Rz. 2; s. § 341 AO Rz. 2). Die in § 344 AO aufgeführten Auslagen entstehen in dem Zeitpunkt, in dem die Handlung bzw. das Ereignis stattfindet, für das die Auslagen erhoben werden.

 

Tz. 4

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Ebenfalls ein Jahr beträgt gem. § 346 Abs. 2 Satz 1 AO die Frist für die "Aufhebung und Änderung des Kostenansatzes", womit der Gesetzgeber die Rücknahme und den Widerruf unter den Voraussetzungen von §§ 130, 131 AO anspricht. Vom Wortlaut des Gesetzes ist damit die Berichtigung von Schreibfehlern, Rechenfehlern und ähnlichen offenbaren Unrichtigkeiten (§ 129 AO) nicht erfasst. Diese Normlücke ist jedoch durch entsprechende Anwendung von § 169 Abs. 1 Satz 2 AO auszufüllen, sodass Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Kostenansatz unterlaufen sind, ebenfalls nur innerhalb der Festsetzungsfrist von einem Jahr berichtigt werden können (Loose in Tipke/Kruse, § 346 AO Rz. 8). Eine Ausnahme bestimmt § 346 Abs. 2 Satz 3 AO, der inhaltlich § 171 Abs. 3 AO entspricht und eine Korrektur auch nach Ablauf der Jahresfrist für zulässig erklärt, wenn vor Ablauf der Frist ein Antrag auf Korrektur gestellt worden ist.

C. Rechtsschutz

 

Tz. 5

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Gegen den Kostenansatz kann Einspruch eingelegt, ggf. Klage erhoben werden (§ 347 Abs. 1 Nr. 1 AO, § 40 Abs. 1 FGO).

 

Tz. 6

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Zulässige Einwendungen sind etwa, wenn geltend gemacht wird, die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen hätten (noch) nicht vorgelegen (§§ 249 Abs. 1 AO i. V. mit § 254 AO; z. B. kein vollstreckbarer VA, Steueranspruch noch nicht fällig, Stundung gewährt, Vollstreckungsaufschub gewährt, Wochenfrist nach Erlass des Leistungsgebots nicht abgelaufen), das FA habe offensichtlich unpfändbare oder nur beschränkt pfändbare Sachen oder Rechte gepfändet, das FA habe eine offensichtlich zwecklose Pfändung vorgenommen oder offensichtlich überpfändet, die Pfändungs-, Wegnahme- oder Verwertungsgebühr sei nicht entstanden oder zu hoch festgesetzt, festgesetzte Auslagen seien nicht angefallen (dazu Lemaire, AO-StB 2004, 377).

 

Tz. 7

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Kosten, die bei richtiger Sachbehandlung auch angefallen wären, können nicht angefochten werden. Insoweit fehlt es an der Ursächlichkeit der unrichtigen Sachbehandlung für die Kosten. Wären bei richtiger Sachbehandlung geringere Kosten angefallen, kann der Kostenansatz in Höhe der Differenz zu den tatsächlichen Kosten abgewehrt werden (Loose in Tipke/Kruse, § 346 AO Rz. 5; Hohrmann in HHSp, § 346 AO Rz. 21).

 

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