Tz. 24

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Der Mangel der Vollmacht kann von den Beteiligten in jeder Lage des Verfahrens geltend gemacht werden (§ 62 Abs. 6 Satz 2 FGO). Das Gericht hat den Mangel der Vollmacht vom Amts wegen zu berücksichtigen, wenn nicht die in § 62 Abs. 2 Satz 1 FGO genannten Personen (Rechtsanwälte, Steuerberater usw.; s. Rz. 3) als Bevollmächtigte auftreten (§ 62 Abs. 6 Satz 4 FGO). In den Übrigen Fällen steht die Anforderung der Vollmacht im Ermessen des Gerichts. Die Anforderung einer Prozessvollmacht für einen für die Kläger auftretenden Rechtsanwalt oder anderer in § 62 Abs. 6 Satz 4 FGO bezeichneten Personen ist nicht ausgeschlossen. Die Anforderung einer schriftlichen Prozessvollmacht solcher Personen steht ebenfalls im Ermessen des FG und ist ermessensgerecht, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die betreffende Person oder Gesellschaft tatsächlich nicht oder nicht wirksam bevollmächtigt ist, wenn also begründete Zweifel an der Bevollmächtigung bestehen (z. B. BFH v. 07.05.2014, II B 117/13, BFH/NV 2014, 1232; BFH v. 11.02.2015, V B 107/14, BFH/NV 2015). Solche Zweifel sind zu bejahen, wenn in einer Vielzahl von Fällen klagenden Eheleute nur noch unter getrennten Adressen erreichbar sind und für beide werden in großer Zahl unzulässige Rechtsbehelfe eingelegt werden. In derartigen Fällen ist das Gericht wegen des damit verbundenen Prozesskostenrisikos gehalten, sich zu vergewissern, ob tatsächlich eine Prozessvollmacht erteilt worden ist (BFH v. 12.11.2009, VIII B 167/09, ZSteu 2010, R167). So kann in der Weigerung zur Vorlage der Vollmacht nach § 62 Abs. 6 Satz 1 FGO ein Indiz (!) für das Fehlen der Bevollmächtigung zu sehen sein (BFH v. 19.01.2017, IV B 84/16, BFH/NV 2017, 605). Die Anforderung der Vollmacht durch das Gericht ist als prozessleitende Verfügung nicht mit der Beschwerde und auch nicht mit anderen gesonderten Rechtsbehelfen anfechtbar (BFH v. 12.11.2009, VIII B 167/09, ZSteu 2010, R167). Ein Rechtsanwalt darf zur Vorlage einer schriftlichen Prozessvollmacht aufgefordert werden, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass er tatsächlich nicht oder nicht wirksam bevollmächtigt ist. Wird daraufhin eine Vollmachtsurkunde nicht vorgelegt, so ist der Mangel der Vollmacht bei der Entscheidung zu berücksichtigen (BFH v. 11.11.2009, I B 152/09, BFH/NV 2010, 449). Legt ein als Prozessvertreter auftretender Rechtsanwalt im Rahmen eines Beschwerdeverfahrens trotz Aufforderung keine Prozessvollmacht vor, so ist der Mangel der Vollmacht beachtlich, wenn dem Rechtsanwalt im erstinstanzlichen Verfahren das Mandat entzogen worden war und er daraufhin in jenem Verfahren nicht mehr aufgetreten ist (BFH v. 11.11.2009, I B 153/09, BFH/NV 2010, 904). Im Rechtsmittelverfahren kann der Mangel der vorschriftsmäßigen Vertretung nur vom nichtvertretenen Beteiligten gerügt werden (BFH v. 01.09.2010, V S 26/09, BFH/NV 2011, 51; BFH v. 11.02.2011, V K 2/09, BFH/NV 2011, 828).

 

Tz. 25

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Zur Vorlage der Vollmacht, die im Verfahren nachgereicht werden kann, kann das Gericht eine Frist setzen (§ 62 Abs. 6 Satz 2 FGO). Seit der Neuregelung des § 62 FGO ab dem 01.07.2008 kann diese jedoch nicht mehr mit ausschließender Wirkung gesetzt werden (s. zur vorherigen Regelung die Vorauflage, § 62 FGO Rz. 17 ff.).

 

Tz. 26

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Keiner Prozessvollmacht bedarf es, wenn sich die Befugnis zur Prozessführung kraft Gesetzes aus einer weitergespannten Ermächtigung ergibt, wie z. B. im Falle gesetzlicher Vertretung, der Vertretungsorgane juristischer Personen (s. § 34 Abs. 1 AO), bei Prokuristen (§ 49 HGB), Handlungs- und Generalbevollmächtigte (§ 54 HGB), bei Vermögensverwaltern (s. § 34 Abs. 3 AO), insbes. Insolvenzverwalter als "Beteiligter kraft Amtes" (dazu s. § 40 FGO Rz. 10; Bartone, AO-StB 2007, 49, 51; Bartone, AO-StB 2014, 247) usw. (auch Spindler in HHSp, § 62 FGO Rz. 158 mit weiteren Beispielen). Wer ohne Legitimation durch schriftliche Vollmacht, ohne den schriftlichen Nachweis der Vollmacht zu führen als Bevollmächtigter auftritt, handelt als Vertreter ohne Vertretungsmacht in fremdem Namen (dazu s. Rz. 27). Beteiligter ist der (angeblich) Vertretene, für den er handelt, denn der Handelnde wird nicht wegen des Fehlens der Vollmacht zum Beteiligten (st. Rspr., z. B. BFH v. 10.11.1966, V R 46/66, BStBl III 1967, 5; BFH v. 11.11.1981, I B 37/81, BStBl II 1982, 167). Der derart Handelnde kann vom Gericht (auch konkludent) zur Prozessführung einstweilen zugelassen werden (§ 155 Satz 1 FGO i. V. m. § 89 ZPO; BFH v. 11.01.1980, VI R 11/79, BStBl II 1980, 229). Wird der Prozessbevollmächtigte ohne Vorlage einer Vollmacht einstweilen zur Prozessführung zugelassen, so kann ein Endurteil erst nach Ablauf der für die Beibringung der Vollmacht (bzw. Beibringung der Genehmigungen betreffend die bisherige Prozessführung) zu setzenden angemessenen Frist ergehen (BFH v. 15.07.2010, IV B 55/09, BFH/NV 2010, 2089).

 

Tz. 27

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

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