Tz. 11

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Für den Urkundsbeweis gelten grds. nicht die Vorschriften der §§ 415 bis 444 ZPO, da § 82 FGO nicht auf diese Vorschriften verweist. Stattdessen gelten für den Stpfl. die Vorlagepflichten der §§ 97, 100 AO (§ 76 Abs. 1 Satz 3 FGO), für Dritte (Zeugen) die Verpflichtungen der § 97 Abs. 1 und Abs. 3, §§ 99, 100, 104 AO (§ 85 FGO) und für die Aktenvorlage durch Behörden § 86 FGO. Für die Erzwingung der Urkundsvorlage gilt § 89 FGO, Behörden sind allerdings ausgenommen (s. § 89 FGO). Angesichts ihres aus der Sache folgenden Inhalts sind die Regeln der §§ 415 bis 419 ZPO über die Beweiskraft öffentlicher und privater Urkunden aber auch für das finanzgerichtliche Verfahren von Bedeutung; dasselbe gilt für die Beweisvermutungen von Büchern und Aufzeichnungen gem. § 158 AO. Daher wendet die Rspr. des BFH § 418 Abs. 1 ZPO auf Eingangsstempel ebenso an (BFH v. 08.07.2003, VIII B 3/03, BFH/NV 2003, 1441; BFH v. 29.03.2005, IX B 236/02, juris) wie auf Postzustellungsurkunden (z. B. BFH v. 12.11.2003, X B 57/03, juris; BFH v. 18.01.2011, IV B 53/09, BFH/NV 2011, 812). Nach § 418 ZPO, der im finanzgerichtlichen Verfahren entsprechend anwendbar ist, begründen bestimmte öffentliche Urkunden vollen Beweis der darin bezeugten Tatsachen. Insoweit kann der Gegenbeweis gem. § 418 Abs. 2 ZPO für die in der Postzustellungsurkunde enthaltene Angabe, die Benachrichtigung wie bei gewöhnlichen Briefen üblich in den Hausbriefkasten eingelegt zu haben, nicht mit einer eidesstattlichen Versicherung des Inhalts, die Mitteilung nicht erhalten zu haben, geführt werden (BFH v. 12.11.2003, X B 57/03, BFH/NV 2004, 602). Dies gilt auch für die in der Postzustellungsurkunde bezeugte Tatsache, dass der Postbedienstete unter der angegebenen Anschrift weder den Adressaten persönlich noch eine zur Entgegennahme einer Ersatzzustellung in Betracht kommende Person angetroffen hat (BFH v. 03.11.2010, I B 104/10, BFH/NV 2011, 809). Vielmehr ist der volle Gegenbeweis der Unrichtigkeit der Urkunden über einen anderen Geschehensablauf entsprechend § 418 Abs. 2 ZPO zu erbringen (BFH v. 09.08.2004, VI B 79/02, BFH/NV 2004, 1548; BFH v. 18.01.2011, IV B 53/09, BFH/NV 2011, 812). Die schlichte Behauptung der Falschbeurkundung genügt nicht (BFH v. 25.03.2010, V B 151/09, BFH/NV 2010, 1113). Ein notariell beurkundeter Kaufvertrag ist keine öffentliche Urkunde i. S. dieser Vorschrift. Öffentliche Urkunden, die über eine abgegebene Erklärung errichtet worden sind, begründen nach § 415 ZPO vollen Beweis des beurkundeten Vorgangs. Abgesehen davon, dass diese Vorschrift im finanzgerichtlichen Verfahren nicht – auch nicht sinngemäß – gilt, beweist die notarielle Beurkundung eines Kaufvertrages nur, dass die beurkundeten Erklärungen abgegeben wurden, nicht hingegen, dass der angegebene Kaufpreis auch tatsächlich bezahlt worden ist (BFH v. 27.02.2001, X B 65/00, BFH/NV 2001, 1034).

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Kühn, Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung (Schäffer-Poeschel). Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge