Tz. 14

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Nach § 181 Abs. 5 AO muss eine gesonderte Feststellung auch nach Ablauf der Feststellungsfrist erfolgen, wenn die Feststellung für eine Steuerfestsetzung, eine Feststellung oder eine Messbetragsfestsetzung von Bedeutung ist, für die die Festsetzungs- oder Feststellungsfrist im Zeitpunkt der gesonderten Feststellung noch nicht abgelaufen ist.

 

Tz. 14a

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Das Feststellungsverfahren hat dienende Funktion. Die Verselbstständigung der Besteuerungsgrundlagen durch die gesonderte und ggf. einheitliche Feststellung löst ihre Verbindung zum Steueranspruch, der allein durch Ablauf der Festsetzungsfrist erlischt bzw. erlöschen kann, nicht auf. Aus der Technik der getrennten Feststellung von Besteuerungsgrundlagen sollen dem Stpfl. weder Nachteile noch Vorteile entstehen (BFH v. 29.06.2011, IX R 38/10, BStBl II 2011, 963 m. w. N.). Aus § 181 Abs. 5 AO folgt vielmehr, dass der Ablauf der Feststellungsfrist der Verwirklichung des noch nicht erloschenen Steueranspruchs nicht entgegenstehen darf (h. M., u. a. Söhn in HHSp, § 181 AO Rz. 110 f. m. w. N.). Daher steht dem Betriebs-FA entgegen dem Wortlaut ("kann") wegen des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung kein Ermessen zum Erlass des Feststellungsbescheids zu.

 

Tz. 15

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Die Vorschrift gilt für gesonderte Feststellungen nach der AO und nach Einzelsteuergesetzen, also auch für den Erlass eines Ergänzungsbescheids nach § 179 Abs. 3 AO (BFH v. 03.03.2011, IV R 8/08, BFH/NV 2011, 1649 m. w. N.) oder eines Richtigstellungsbescheids nach § 182 Abs. 3 AO (Söhn in HHSp, § 182 AO Rz. 150; von Wedelstädt, AO-StB 2012, 83, 86). Auf Feststellungen nach § 10d EStG ist § 181 Abs. 5 AO nur anwendbar, wenn das FA die Feststellung des Verlustvortrags pflichtwidrig unterlassen hat (§ 10d Abs. 4 Satz 6 EStG). § 181 Abs. 5 AO ist über seinen Wortlaut hinaus nicht nur bei der erstmaligen Feststellung, sondern seinem Sinn und Zweck nach auch bei der Aufhebung und Änderung von Feststellungsbescheiden anwendbar, sofern die Voraussetzungen für eine Aufhebung oder Änderung erfüllt sind (BFH v. 11.11.2009, II R 14/08, BStBl II 2010, 723 m. w. N.). Auf ressortfremde Grundlagenbescheide sowie Bescheide über Billigkeitsmaßnahmen nach § 163 AO ist § 181 Abs. 5 AO nicht anwendbar (BFH v. 21.02.2013, V R 27/11, BStBl II 2013, 529; von Wedelstädt, AO-StB 2014, 150); zur Ablaufhemmung in diesen Fällen s. § 171 Abs. 10 Satz 2 AO, AEAO zu § 171, Nr. 6.4 sowie § 171 AO Rz. 97.

 

Tz. 16

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Zur Einhaltung der zeitlichen Voraussetzung (s. Rz. 14) genügt es, dass der Feststellungsbescheid vor Ablauf der Festsetzungsfrist des Folgebescheids den Bereich der für die Steuerfeststellung zuständigen Finanzbehörde verlassen hat oder bei öffentlicher Zustellung der Feststellungsbescheid oder eine Benachrichtigung nach § 10 Abs. 2 VwZG ausgehängt ist (§ 181 Abs. 5 Satz 3 i. V. m. § 169 Abs. 1 Satz 3 AO). Voraussetzung ist im Falle der Absendung allerdings, dass der Feststellungsbescheid tatsächlich durch Bekanntgabe wirksam geworden ist. Im Übrigen ist das Betriebs-FA nicht gehalten, sich vor Erlass des Feststellungsbescheids bei den Folgebescheids-FA über Ablauf oder Nichtablauf der Festsetzungsfrist bei den Folgebescheiden zu erkundigen, es reicht, dass es möglich erscheint, dass die Festsetzungsfrist für eine Folgesteuer noch nicht abgelaufen ist (Koenig in Koenig, § 181 AO Rz. 35 m. w. N.; a. A. Söhn in HHSp, § 181 AO Rz. 144).

 

Tz. 17

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Ob eine Feststellung "von Bedeutung" i. S. des § 181 Abs. 5 AO ist, richtet sich zunächst und vor allen Dingen – unbeschadet der unverzichtbaren verfahrensrechtlichen Bindungswirkung – nach materiellem Recht. Von Bedeutung sind Feststellungsbescheide nicht nur für die Steuerfestsetzung oder Feststellungsbescheide desselben oder des sich unmittelbar anschließenden Veranlagungszeitraums. Auch eine nur mittelbare Bedeutung dieser Bescheide für spätere Veranlagungen und Feststellungen ist ausreichend (st. Rspr., vgl. BFH v. 15.05.2013, IX R 5/11, BStBl II 2014,143 m. w. N.). Daher gilt § 181 Abs. 5 AO auch bei einem zweistufigen Feststellungsverfahren (§ 179 Abs. 2 Satz 3 AO) für die Feststellung auf der zweiten Stufe sowie dann, wenn aufgrund der Feststellung die Steuerfestsetzung auf der übernächsten (dritten) Stufe noch möglich ist wie z. B. im Fall der Einheitswertfeststellung hinsichtlich der Grundsteuerfestsetzung (BFH v. 11.11.2009, II R 14/08, BStBl II 2010, 723). Es steht z. B. dem Erlass eines Verlustfeststellungsbescheids nach § 10d EStG so lange keine Feststellungsverjährung entgegen, als diese Feststellung für künftige ESt-Festsetzungen oder Verlustfeststellungen nach § 10d EStG von Bedeutung ist (BFH v. 06.07.2005, XI R 27/04, BFH/NV 2006, 16 m. w. N.). Zur Bedeutung der gesonderten Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags nach § 10d EStG für Steuerfestsetzungen vgl. BFH v. 29.06.2011, IX R 38/10, BStBl II 2011, 963...

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