Tz. 6

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

§ 2 Abs. 1 AO bezieht sich nur auf solche völkerrechtlichen Verträge, welche die Zulässigkeit oder das Ausmaß der steuerlichen Eingriffe zum Inhalt haben (Koenig in Koenig, § 2 AO Rz. 2; Musil in HHSp, § 2 AO Rz. 36), die also Fragen der Besteuerung zum Gegenstand haben oder zumindest wirtschaftliche Sachverhalte regeln, die unmittelbaren Einfluss auf die Besteuerung haben können (Musil in HHSp, § 2 AO Rz. 15; Oellerich in Gosch, § 2 AO Rz. 22). Verträge in diesem Sinne sind in erster Linie DBA (s. Rz. 7).

1. Doppelbesteuerungsabkommen (DBA)

 

Tz. 7

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

DBA bilden den wichtigsten Anwendungsfall des § 2 Abs. 1 AO. Sie werden zwischen Völkerrechtssubjekten geschlossen, um Doppelbesteuerungen hinsichtlich desselben Stpfl. zu vermeiden. Hierzu kann es kommen, wenn in mindestens zwei Staaten von demselben Stpfl. für denselben Steuergegenstand und denselben Zeitraum vergleichbare Steuern erhoben werden, weil die beteiligten Staaten die Besteuerung sowohl nach dem Welteinkommensprinzip als auch nach Quellenprinzip vornehmen (im Einzelnen Drüen in Tipke/Kruse, § 2 AO Rz. 26 ff.; Vogel in Vogel/Lehner, Einl. OECD-MA Rz. 2 ff.). Durch das DBA verpflichten sich die Vertragsstaaten, diejenigen Steuern nicht oder nur in begrenzter Höhe zu erheben, die das Abkommen dem jeweils anderen Staat zuweist (Drüen in Tipke/Kruse, § 2 AO Rz. 27). Im Grundsatz ist mithin davon auszugehen, dass DBA ein bilaterales System der Verteilung von Besteuerungsbefugnissen bilden, innerhalb dessen die Vertragsstaaten ihre nationalen Besteuerungsrechte begrenzen (Bartone, S. 129 m. w. N.), ohne jedoch das ihnen originär zustehende Besteuerungsrecht insoweit grds. aufzugeben (BFH v. 21.05.1997, I R 79/96, BStBl II 1998, 113; BFH v. 26.06.2013, I R 48/12, BStBl II 2014, 367). Die DBA, welche die Bundesrepublik Deutschland abschließt, beruhen regelmäßig auf dem OECD-MA (Drüen in Tipke/Kruse, § 2 AO Rz. 27). Eine Übersicht über den Stand der DBA und der beabsichtigten Abkommen wird vom BMF jährlich herausgegeben (aktuell: BMF v. 22.01.2014, IV B 2-S 1301/07/10017-05, 2014/0061052, BStBl I 2014, 171).

 

Tz. 8

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

vorläufig frei

2. Europarecht

 

Tz. 9

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Das Recht der EU (Unionsrecht/Europarecht, insbes. EUV und AEUV) leitet sich auch aus völkerrechtlichen Verträgen ab. Gleichwohl fallen sie nicht in den Anwendungsbereich von Art. 59 Abs. 2 GG und § 2 Abs. 1 AO, da Art. 23 Abs. 1 GG als insoweit speziellere Regelung eingreift. Das Europarecht stellt eine autonome, supranationale Rechtsordnung zwischen dem nationalen Recht der Mitgliedstaaten und dem Völkerrecht dar (Oppermann/Classen/Nettesheim, § 9 Rz. 5). Aus dieser Besonderheit folgt die europaweite einheitliche und unmittelbare Geltung des Europarechts, die unabhängig von § 2 Abs. 1 AO einen Anwendungsvorrang vor dem nationalen Recht begründet (Koenig in Koenig, § 2 AO Rz. 14; Grube, DStZ 2007, 371; Zorn/Twardosz DStR 2007, 2185). Dies hat die Bundesrepublik Deutschland mit der Regelung in Art. 23 Abs. 1 GG umgesetzt. Dem Anwendungsvorrang trägt § 1 Abs. 1 Satz 2 AO Rechnung (s. § 1 AO Rz. 16).

 

Tz. 10

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

vorläufig frei

3. Sonstige Verträge

 

Tz. 11

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Neben den DBA (s. Rz. 7) fallen in den Anwendungsbereich des § 2 Abs. 1 AO insbes. auch das NATO-Truppenstatut (BFH v. 08.08.2013, III R 22/12, BFH/NV 2013, 1997; Drüen in Tipke/Kruse, § 2 AO Rz. 24 f.; Musil in HHSp, § 2 AO Rz. 96 ff.; Oellerich in Gosch, § 2 AO Rz. 49 ff.) sowie das Wiener Übereinkommen v. 18.04.1961 über die diplomatischen Beziehungen (WÜD) und das Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen (WÜK; Drüen in Tipke/Kruse, § 2 AO Rz. 11 ff.; Musil in HHSp, § 2 AO Rz. 101 ff.; Oellerich in Gosch, § 2 AO Rz. 54 ff.). Weitere Verträge in diesem Sinne sind z. B. auch das Übereinkommen über die Vorrechte und die Immunität der Vereinten Nationen (BGBl II 1989, 941) und der Sonderorganisationen der Vereinten Nationen (BGBl II 1954, 639), das Abkommen zur Errichtung einer Welthandelsorganisation (WTO, BGBl II 1994, 1438), das Abkommen über die OECD (BGBl II 1961, 1150) und das Allgemeine Abkommen über die Vorrechte und Befreiungen des Europarates (BGBl II 1954, 493; dazu BFH v. 06.08.1998, IV R 75/97, BStBl II 1998, 732; zu weiteren Verträgen Drüen in Tipke/Kruse, § 2 AO Rz. 21; Musil in HHSp, § 2 AO Rz. 120 ff., Oellerich in Gosch, § 2 AO Rz. 66 ff.).

 

Tz. 12-13

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

vorläufig frei

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