Tz. 3

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Es haften nur Personen, die an dem Unternehmen i. S. des § 74 Abs. 2 AO wesentlich beteiligt sind. Hiernach ist eine Person wesentlich beteiligt, wenn sie unmittelbar oder mittelbar (BFH v. 10.11.1983, V R 18/79, BStBl II 1984, 127) zu mehr als einem Viertel am Grund- oder Stammkapital oder am Vermögen des Unternehmens beteiligt ist (§ 74 Abs. 2 Satz 1 AO). Eine mittelbare Beteiligung ist gegeben, wenn jemand durch Vermittlung eines Treuhänders oder einer anderen Gesellschaft beteiligt ist (s. § 115 Abs. 2 Satz 2 AO a. F.). Ist z. B. A an der B-GmbH zu 50 % beteiligt und ist die B-GmbH an der X-AG zu 60 % beteiligt, so ist A an der X-AG zu mehr als ein Viertel (50 % von 60 % = 30 %) mittelbar beteiligt. Bestehen sowohl unmittelbare und mittelbare Beteiligungen derselben Person, so sind diese zu addieren. Mit der für die Betriebsaufspaltung entwickelten Personengruppentheorie lässt sich eine wesentliche Beteiligung an einem Unternehmen i. S. des § 74 Abs. 2 Satz 1 AO durch Zusammenrechnung der von mehreren Familienmitgliedern gehaltenen Anteile nicht begründen (BFH v. 01.12.2015, VII R 34/14, BStBl II 2016, 375).

 

Tz. 4

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Im Übrigen errechnet sich die Beteiligungsquote bei Kapitalgesellschaften entsprechend dem zuzurechnenden Anteil am Nennkapital, wobei eigene Anteile der Kapitalgesellschaft ausscheiden. Bei den Gesamthandsgemeinschaften gilt § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO. Die Haftung wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der überlassene Gegenstand nicht im Eigentum des Haftenden, sondern im Eigentum einer Personengesellschaft steht, wenn deren Gesellschafter nur der Haftende und weitere am Unternehmen wesentlich Beteiligte sind (BFH v. 23.05.2012, VII R 28/10, BStBl II 2012,763). Eine Beteiligung ohne Stimmrecht schließt die Haftung nicht aus (BFH v. 02.12.1950, I 33/50 U, BStBl III 1951, 16). Wegen der Maßgeblichkeit der steuerlichen Zurechnung kann auch ein atypischer stiller Gesellschafter wesentlich Beteiligter i. S. der Vorschrift sein.

 

Tz. 5

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Nach § 74 Abs. 2 Satz 2 AO gilt als wesentlich beteiligt auch, wer auf das Unternehmen einen beherrschenden Einflussausübt und durch sein Verhalten dazu beiträgt, dass fällige Steuern i. S. des § 74 Abs. 1 Satz 1 AO nicht entrichtet werden. Das ist Ausfluss der im Steuerrecht vorherrschenden wirtschaftlichen Betrachtungsweise. Nach der Gesetzesbegründung sollen durch die Regelung Herrschaftsverhältnisse erfasst werden, die ohne entsprechende Vermögensbeteiligung zustande kommen, aber gleichwohl geeignet sind, dem hierdurch Begünstigten anstelle des Unternehmers den entscheidenden Einfluss auf das Unternehmen einzuräumen (FG Münster v. 15.09.2009, 2 K 32/09 U, EFG 2010, 287: Nicht-Gesellschafter-Geschäftsführer). Allerdings stellt der Gesetzeswortlaut klar, dass die bloße Möglichkeit, beherrschenden Einfluss auszuüben, nicht ausreicht. Der Einfluss muss vielmehr in der Weise genutzt werden, dass zur Nichtentrichtung fälliger Betriebsteuern beigetragen wird. Mit dieser Einschränkung wird z. B. auch das Bestehen eines Nießbrauchrechtes, das mit einem Stimmrecht gekoppelt ist, als wesentliche Beteiligung anzusehen sein (FG BW v. 19.11.1957, I 881 – 882/57, EFG 1958, 250).

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