Leitsatz (amtlich)

Die Zugehörigkeit der einem Unternehmen dienenden Gegenstände zu einem Gesamthandsvermögen ist für die Haftung aus § 115 RAO (vgl. nun § 74 AO 1977) ohne Bedeutung, wenn Träger dieses Gesamthandsvermögens nur die am Unternehmen wesentlich beteiligten Personen sind.

 

Normenkette

RAO § 115; AO 1977 § 74

 

Verfahrensgang

FG Rheinland-Pfalz

 

Tatbestand

Gesellschafter der P. GmbH, über deren Vermögen im Jahre 1973 das Konkursverfahren eröffnet wurde, waren K. mit Anteilen von 51,5 v. H. und seine Mutter E. mit Anteilen von 48,5 v. H. am Stammkapital. Die GmbH hatte eine Möbelfabrik auf Grundstücken betrieben, die ihr die "Grundstücksverwaltung H. Erben", eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, zur Verfügung gestellt hatte. Deren Gesellschafter waren K. und seine Mutter.

Unter dem Datum vom 30. November 1977 hat das Finanzamt einen "Haftungs- und Duldungsbescheid gemäß § 115 RAO" erlassen. Dieser ist gerichtet an die "Grundstücksverwaltung H. Erben Herr K. und Frau E. als Gesellschaft d. bürgerl. Rechts" und in Ausfertigungen an beide genannten Gesellschafter zugestellt worden. Den Adressaten dieses Bescheides wird in ihm aufgegeben, die Zwangsvollstreckung in - in dem Bescheid näher bezeichnete - fünf Grundstücke der Gesellschaft bürgerlichen Rechts wegen Umsatzsteuerschulden der GmbH aus dem Jahre 1973 in Höhe von 132 465, 10 DM zu dulden.

Mit der unmittelbar gegen diesen Bescheid erhobenen Klage, die K. anhängig gemacht hat, wird vorgetragen, aus dem angefochtenen Bescheid gehe nicht hinreichend bestimmt hervor, wer dessen Adressat sei, die Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder jeder ihrer Gesellschafter für sich. Er sei schon deshalb auf die Klage des K. aufzuheben. Die Klage sei aber auch dann zulässig, wenn man davon ausgehe, die Adressierung des Bescheids sei eindeutig gegen die Gesellschaft bürgerlichen Rechts gerichtet, denn K. sei alleinvertretungsberechtigter Gesellschafter der Gesellschaft bürgerlichen Rechts und habe erkennbar den Willen gehabt, den angefochtenen Verwaltungsakt zu beseitigen, die Klage also namens dessen einzulegen, der betroffen und klagebefugt gewesen sei. Darüber hinaus wird geltend gemacht, mangels Eigentümeridentität seien die Voraussetzungen des § 115 RAO nicht erfüllt gewesen. Der Klageantrag lautet auf Aufhebung des Haftungs- und Duldungsbescheids.

Das Finanzgericht hat die Klage als zulässig im Namen der Gesellschaft bürgerlichen Rechts erhoben angesehen und dahingestellt sein lassen, ob K. auch als einzelner Gesellschafter den Bescheid, der sich gegen die Gesellschaft bürgerlichen Rechts gerichtet habe, hätte anfechten können. Durch Teilurteil hat das Finanzgericht die Klage insoweit abgewiesen, als der Gesellschaft bürgerlichen Rechts durch den angefochtenen Verwaltungsakt aufgegeben worden war, die Zwangsvollstreckung in zwei der Grundstücke zu dulden. Seine Entscheidung ist insoweit in Entscheidungen der Finanzgerichte 1979, 158 veröffentlicht.

Mit der gegen das finanzgerichtliche Urteil eingelegten Revision wird das Klagebegehren weiter verfolgt. Gerügt wird die Verletzung materiellen Rechts, insbesondere des § 115 RAO.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

1. Zutreffend ist das Finanzgericht zu der Auffassung gelangt, der angefochtene Verwaltungsakt vom 30. November 1977 sei inhaltlich eindeutig. Er richtet sich an die in ihm genannten Personen in deren Eigenschaft als ehemalige Gesellschafter der Gesellschaft mit beschränkter Haftung und als gesamthänderisch verbundene Eigentümer des genannten Grundstücks (vgl. § 115 RAO einerseits und § 736 ZPO andererseits; sowie § 372 RAO, § 322 AO 1977, § 866 ZPO).

2. Dem Finanzgericht ist darin beizupflichten, daß die Voraussetzungen für die Haftung nach § 115 RAO (vgl. nun § 74 AO 1977) im vorliegenden Fall erfüllt sind. Nach dieser Vorschrift haften Personen, die an einem gewerblichen Unternehmen wesentlich beteiligt sind, mit den in ihrem Eigentum stehenden Gegenständen, die dem gewerblichen Unternehmen dienen, für diejenigen Steuern des Unternehmers, die - wie die Umsatzsteuer - sich auf den Betrieb des Unternehmens gründen. Den eigentlichen Grund für die Haftung bildet dabei nicht die Beteiligung am Unternehmen, sondern der objektive Beitrag, den der Gesellschafter durch die Bereitstellung von Gegenständen, die dem Unternehmen dienen, für die Weiterführung des Gewerbebetriebs leistet. Wer nämlich als Gesellschafter dem Unternehmen Gegenstände zur Verfügung stellt, die für die Führung des Betriebs und die Erzielung steuerbarer Umsätze von wesentlicher Bedeutung sind, leistet einen wesentlichen Beitrag zur Verwirklichung der steuerbegründenden Tatbestände (Beschluß des BVerfG vom 14. Dezember 1966 1 BvR 496/65, BStBl III 1967, 166). Der tiefere Grund für die Haftung des wesentlich beteiligten Gesellschafters mit den ihm gehörenden Gegenständen liegt, wie schon das Finanzgericht ausgeführt hat, in der Parallelität des Einflusses auf die unternehmerische Tätigkeit des Unternehmens und des Einsatzes des (eigenen) Vermögens für diese Tätigkeit.

Sinn und Zweck der Vorschrift gebieten es, von der Haftung dann nicht abzusehen, wenn zwar die dem Unternehmen dienenden Gegenstände nicht dem einzelnen Gesellschafter als Eigentümer (Alleineigentümer oder Bruchteilseigentümer) zustehen, sondern einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die ihrerseits nur wesentlich Beteiligte als Gesellschafter hat. Denn die haftungsbegründende Interessenparallelität kann nicht dahinter zurückstehen, daß ein Gegenstand dem Unternehmen dient, über den alle wesentlich beteiligten Gesellschafter des Unternehmens nur gemeinschaftlich verfügen können. Die Zugehörigkeit der einem Unternehmen dienenden Gegenstände zu einem Gesamthandsvermögen ist für die Haftung aus § 115 RAO ohne Bedeutung, wenn Träger dieses Gesamthandsvermögens nur die am Unternehmen wesentlich beteiligten Personen sind, weil diese Personen als Personengruppe die Gegenstände zu Eigentum haben, wie § 115 RAO dies voraussetzt.

 

Fundstellen

BStBl II 1984, 127

BFHE 1984, 242

ZIP 1984, 218

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