Tz. 15

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Die einstweilige Anordnung ist eine vorläufige Regelung, zu der der Gesetzgeber das Finanzgericht im Rahmen des § 114 FGO ermächtigt hat. Die zu ergreifenden Maßnahmen müssen sich aus den einschlägigen Vorschriften des Abgabenrechts rechtfertigen und sich im Rahmen dieser Vorschriften halten. Das Finanzgericht darf dem Antragsteller nichts zubilligen, was ihm nicht auch die Finanzbehörde gewähren könnte, wobei das Gericht jedoch nicht lediglich auf solche vorläufigen Maßnahmen beschränkt ist, die – ohne entsprechende Anordnung durch das Gericht – auch die Finanzbehörde treffen könnte. Insoweit stellt § 114 FGO eine eigenständige Ermächtigung dar. Die gesetzlich vorgesehene Möglichkeit des Widerrufs eines begünstigenden Verwaltungsaktes, desgl. ein Widerrufsvorbehalt der Behörde im Einzelfalle, bildet für sich allein kein Hindernis für die Anordnung des einstweiligen Fortbestandes der in Rede stehenden Rechtsposition; denn die Übung dieses Ermessens (durch Widerruf) bildet ja gerade den Anlass des Antrages auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und damit den Gegenstand dieser Anordnung selbst.

 

Tz. 16

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Welcher Inhalt der einstweiligen Anordnung im Einzelnen zu geben ist, entscheidet das Finanzgericht im Rahmen der einschlägigen gesetzlichen Vorschriften und ihrer Zweckbestimmung nach freiem Ermessen (§ 938 ZPO). Es darf aber über das Begehren des Antragsstellers nicht hinausgehen (§ 96 Abs. 1 Satz 2 FGO). In Betracht kommt in erster Linie die Aufhebung der die streitige Rechtsposition schmälernden Handlung; das Gericht kann der Behörde aber auch aufgeben, diese oder jene Maßnahme zu ergreifen oder zu unterlassen, z. B. die Einziehung von Beträgen, bezüglich deren Billigkeitsmaßnahmen angestrebt werden. Die Anordnung kann – auch innerhalb der Prozessdauer – befristet werden. Das Gericht kann dem Antragsteller auch die Leistung einer Sicherheit auferlegen (§ 921 Abs. 2 Satz 2 ZPO), jedoch nur im Rahmen etwa gefährdeter Abgabenansprüche. Dies kommt vor allem dann zu tragen, wenn zu befürchten ist, dass bei einem Obsiegen der Finanzbehörde deren Forderungen nicht mehr realisierbar sind.

 

Tz. 17

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Ist ein außergerichtlicher Rechtsbehelf oder eine Klage in der Hauptsache noch nicht anhängig, muss das Gericht dem Antragsteller auf Antrag des Antragsgegners aufgeben, den zulässigen Rechtsbehelf innerhalb einer bestimmten Frist einzulegen (§ 926 ZPO). Bei einer einstweiligen Anordnung, die die Einziehung von Beträgen, deren Erlass im Billigkeitswege angestrebt wird, zum Gegenstand hat, ist als Hauptsacheverfahren das die Stundung des vom Erlassantrag erfassten Betrags betreffende Verfahren anzusehen. Lässt der Antragsteller die Frist verstreichen, ist die einstweilige Anordnung auf Antrag nach mündlicher Verhandlung (§ 114 Abs. 3 FGO i. V. m. § 926 Abs. 2 ZPO) durch Beschluss aufzuheben (gl. A. Loose in Tipke/Kruse, § 114 FGO Rz. 86; Koch in Gräber, § 114 FGO Rz. 104). Wegen der Schadensersatzpflicht in solchen Fällen s. Abs. 3 i. V. m. § 945 ZPO.

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