Tz. 4

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Diese Einspruchsbefugnis verlangt eine Geschäftsführerstellung und eine Berufung zur Vertretung. Dabei kommt es auf die Verwendung des Begriffs "Geschäftsführer" nicht an. Die Berufung zum vertretungsbefugten Geschäftsführer wird nach den zivilrechtlichen Bestimmungen beurteilt. Sie erfolgt durch vertragliche Vereinbarung oder gesetzliche Regelungen des BGB, GmbHG oder HGB. Maßgeblich für das Vorliegen der Vertretungsbefugnis ist der Zeitpunkt der Einspruchseinlegung, nicht der der Bekanntgabe des anzufechtenden Bescheids (Dißars, HWB 2011, 1715). Auch auf das Streitjahr kommt es nicht an, selbst wenn die Geschäftsführerstellung zu diesem Zeitpunkt noch nicht bestand (Keß in Schwarz/Pahlke, § 352 AO Rz. 12).

 

Tz. 5

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Bei Geschäftsführermehrheit entscheidet der Inhalt des Gesellschaftervertrages oder das Gesetz, wer allein handeln darf. Unter Umständen steht die Vertretungsbefugnis allen Gesellschaftern gemeinsam zu (BFH v. 04.05.1972, IV 251/64, BStBl II 1972, 672; Brandis in Tipke/Kruse, § 48 FGO Rz. 12 m. w. N.) für die GbR § 709 Abs. 1 BGB). Gesamtvertretungsberechtigte Geschäftsführer (Gesamtvertreter können nur gemeinsam vertreten) müssen gemeinschaftlich Einspruch einlegen. Sind jedoch mehrere Geschäftsführer einzeln berufen, so kann jeder von ihnen den Einspruch einlegen und auch wieder zurücknehmen. Sich widersprechende gleichzeitig vorgenommene Verfahrenshandlungen sind jedoch unwirksam.

 

Tz. 6

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Die Einspruchsbefugnis nach § 352 Abs. 1 AO setzt das Bestehen der Gesellschaft voraus. Bei Beendigung der Gesellschaft ist wie folgt zu differenzieren. Während des Liquidationsstadiums ist die Gesellschaft verfahrensrechtlich weiter vorhanden. Es erlöschen zunächst alle bestehenden Vertretungs- und Geschäftsführungsbefugnisse, die auf einen oder mehrere Liquidatoren übergehen. Liquidatoren sind grundsätzlich alle Gesellschafter (BFH v. 24.09.1982, V ZR 188/79, WM IV 1982, 1170; sog. "geborene" Liquidatoren), wenn nicht im Gesellschaftsvertrag oder durch Beschluss der Gesellschafter etwas anderes bestimmt wird. Liquidatoren haben grundsätzlich gemeinschaftlich zu handeln (§ 150 Abs. 1 HGB). Mit Abschluss der Liquidation und Auseinandersetzung des Gesellschaftsvermögens ist die Gesellschaft vollständig beendet. Nach der Vollbeendigung geht die Einspruchsbefugnis auf die Gesellschafter nach § 352 Abs. 1 Nr. 2 AO über (BFH v. 21.06.1994, VIII R 5/92, BStBl II 1994, 856; BFH v. 16.01.1996, VIII B 128/95, BStBl II 96, 426; BFH v. 08.10.1998, VIII B 61/98, BFH/NV 1999, 291; im Ergebnis gleich: BFH v. 27.11.1990, VIII R 206/84, BFH/NV 1991, 692, der in der Vollbeendigung ein Ausscheiden aller Gesellschafter i. S. v. § 352 Abs. 1 Nr. 3 AO sieht). Die Einspruchsbefugnis steht jedenfalls nicht den Rechtsnachfolgern der Gesellschaft zu (BFH v. 19.11.1985, VIII R 25/85, BStBl II 1986, 520). In der Insolvenz geht die Einspruchsbefugnis nicht auf den Insolvenzverwalter über (BFH v. 21.06.1979, 21.07.1979, IV R 131/74, BStBl II 1979, 780 für den Konkurs; Siegers in HHSp, § 352 AO Rz. 107). Anders ist dies, wenn die Feststellungen als Grundlagen in Steuerbescheide einfließen, die gegen die Gesellschaft als Steuerschuldnerin gerichtet sind.

 

Tz. 7

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Einspruchsbefugt ist nach herrschender Ansicht die Gesellschaft bzw. Gemeinschaft selbst. Die Personengesellschaft handelt in Prozessstandschaft für ihre Gesellschafter, da sich der Gewinnfeststellungsbescheid inhaltlich nicht an die Gesellschaft, sondern an die einzelnen Gesellschafter als Subjekte der Einkommensteuer richtet (BFH v. 22.01.2015 IV R 62/11, BFH/NV 2015, 995; BFH v. 27.05.2004, IV R 48/02, BStBl II 2004, 964). Die Personengesellschaft wird durch ihre zur Vertretung berufenen Geschäftsführer vertreten. Dieser handelt wie ein Prozessstandschafter im Namen der Gesellschaft und aller Gesellschafter. Folgt man dem Wortlaut des § 352 AO, ist allein der zur Vertretung berufene Geschäftsführer einspruchsbefugt und nicht alle Feststellungsbeteiligten oder die Gesellschaft selbst (Brandis in Tipke/Kruse, § 48 FGO Rz. 7 m. w. N.). In jedem Fall darf ein unzutreffend formulierter Antrag nicht zur Unzulässigkeit des Einspruchs führen, sondern ist gegebenenfalls umzudeuten.

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