1. Gegenseitigkeit der Forderungen

 

Tz. 5

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Gegenseitigkeit der Forderung bedeutet, dass der Schuldner der einen Forderung gleichzeitig Gläubiger der anderen Forderung sein muss. Deswegen unzulässig: Die Aufrechnung des FA mit rückständigen Steuerschulden des einen Ehegatten gegen einen dem anderen Ehegatten zustehenden Anspruch auf Auszahlung überzahlter Lohnsteuer nach Zusammenveranlagung (BFH v. 19.10.1982, VII R 55/80, BStBl II 1983, 162). Die Aufrechnung des FA gegenüber einem Gesamtschuldner, soweit auf ihn nach Aufteilung der Gesamtschuld (s. § 268ff. AO) kein Rückstand mehr entfällt (BFH v. 12.01.1988, VII R 66/87, BStBl II 1988, 406). Auch s. Rz. 26. Bei der Steuerberechnung nach §§ 16ff. UStG selbst handelt es sich nicht um eine Aufrechnung. Die zu saldierenden Steueransprüche sind lediglich unselbstständige Besteuerungsgrundlagen (BFH v. 24.11.2011, V R 13/11, BStBl II 2012, 298).

2. Gleichartigkeit der Forderungen

 

Tz. 6

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Haupt- und Gegenforderung müssen auf eine gleichartige Leistung gerichtet sein. Der Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis ist ein Geldanspruch (§ 37 AO). Folglich kann mit und gegen einen Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis ebenfalls nur mit einem Geldanspruch aufgerechnet werden.

3. Fälligkeit der Gegenforderung

 

Tz. 7

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Der Aufrechnende muss im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung die Erfüllung der Forderung, mit der er aufrechnet, fordern können. Eine einmal bestehende Aufrechnungslage entfällt durch eine rückwirkende Stundung nicht (BFH v. 08.07.2004, VII R 55/03, BStBl II 2005, 7; s. § 222 AO Rz. 19). Im Insolvenzverfahren kann das FA mit Forderungen aufrechnen, die vor Verfahrenseröffnung entstanden sind, ohne dass es deren vorheriger Festsetzung, Feststellung oder Anmeldung zur Insolvenztabelle bedarf (BFH v. 04.05.2004, VII R 45/03, BStBl II 2004, 815; BFH v. 04.02.2005, VII R 20/04, BFH/NV 2005, 942; BFH v. 31.05.2005, VII R 74/04, BFH/NV 2005, 1745). Zur Fälligkeit von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis s. § 220 AO und die dortigen Erläuterungen.

 

Tz. 8

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Unter der Prämisse, Aussetzung der Vollziehung (§§ 361 AO, 69 FGO) beseitige nicht die Fälligkeit des Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis, sondern nur die Vollziehbarkeit des Verwaltungsakts (so BVerwG v. 27.10.1982, 3 C 6.82, StRK AO 1977 § 226 R. 4; s. § 220 AO Rz. 7), hat der BFH früher die Auffassung vertreten, das FA könne mit einer von der Vollziehung ausgesetzten Steuerforderung gegen Erstattungsansprüche des Stpfl. aufrechnen (BFH v. 17.09.1987, VII R 50–51/86, BStBl II 1988, 366; BFH v. 14.11.2000, VII R 85/99, BStBl II 2001, 247). Zu Recht hat der BFH diese Position zwischenzeitlich aufgegeben (seit BFH v. 31.08.1995, VII R 58/94, BStBl II 1996, 55; zur Kritik an der alten Rspr. s. noch Bem. 3a cc) in der 17. Auflage), sodass das FA nunmehr während der Aussetzung der Vollziehung eines Steuerbescheids an der Aufrechnung mit dem durch ihn festgesetzten Anspruch gehindert ist.

 

Tz. 9

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Auch nach Erlass des Umsatzsteuerjahresbescheids kann das FA noch mit rückständigen Ansprüchen aus Vorauszahlungsbescheiden des betreffenden Kalenderjahres aufrechnen. Die Aufrechnung ist jedoch der Höhe nach nur nach Maßgabe des im Jahressteuerbescheid noch festgestellten Rückstands wirksam (BFH v. 22.08.1995, VII B 107/95, BStBl II 1995, 916).

4. Erfüllbarkeit der Hauptforderung

 

Tz. 10

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Die Forderung, gegen die aufgerechnet wird, braucht noch nicht fällig zu sein, sie muss jedoch erfüllbar sein (§ 271 Abs. 2 BGB). Erfüllbar ist die Hauptforderung, wenn sie entstanden ist (§ 38 AO); ihre Festsetzung ist nicht erforderlich (BFH v. 13.01.2000, VII R 91/98, BStBl II 2000, 246; BFH v. 08.03.2017, VII R 13/15, – juris). Nicht zulässig ist die Aufrechnung gegen eine aufschiebend bedingte Forderung, wohl aber gegen eine auflösend bedingte Forderung vor Eintritt der auflösenden Bedingung. Fällt im letztgenannten Fall die zur Aufrechnung gestellte Forderung weg, so wird die Aufrechnung rückwirkend unwirksam (BFH v. 05.08.1986, VII R 167/87, BStBl II 1987, 8). Desgleichen kann gegen eine gestundete Forderung aufgerechnet werden, nicht jedoch mit einer solchen.

 

Tz. 11

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Zur Aufrechnung durch den Insolvenzgläubiger im Insolvenzverfahren – also auch des Fiskus in der Insolvenz des Stpfl. – finden §§ 94 bis 96 InsO Anwendung (AEAO zu § 251, Nr. 8). Diese mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eintretenden Wirkungen entfallen erst mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens gem. § 200 InsO (BFH v. 04.09.2009, VII B 239/07, BFH/NV 2009, 6; BFH v. 13.12.2016, VII R 1/15, BStBl II 2017, 541). Ein etwaiges Aufrechnungshindernis gem. § 96 InsO entfällt somit erst mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens und nicht bereits mit dem Beschluss über die Ankündigung der Restschuldbefreiung (BFH v. 07.06.2006, VII B 329/05, BStBl II 2006, 641). Ansprüche des ehemaligen Insolvenzschuldners auf Erstattung von Einkommensteuer gehören nicht zu den in der Wohlverhaltensphase an den...

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