I. Allgemeine Anforderungen

 

Tz. 26

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Die Festsetzung des Verspätungszuschlags erfolgt durch einen selbstständigen, von der Steuerfestsetzung/Messbetragsfestsetzung/Grundlagenfeststellung getrennten und verfahrensmäßig unabhängigen Verwaltungsakt. Auch wenn beides üblicherweise auf einem Schriftstück geschieht, stellt dies eine nur äußerliche Verbindung zweier Verwaltungsakte dar, ohne ihre Selbstständigkeit zu berühren. Es gelten daher die allgemeinen Anforderungen für den Erlass eines Verwaltungsakts. Insbesondere ist die Finanzbehörde zur Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 91 AO) verpflichtet (s. aber auch § 126 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 AO). Zur Begründungspflicht s. Rz. 17. Die Festsetzung eines Verspätungszuschlags kann weder vorläufig noch unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergehen (BFH v. 14.06.2000, X R 56/98, BStBl II 2001, 60).

II. Verbindungsgebot

 

Tz. 27

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Nach der als Ordnungsvorschrift einzustufenden Regelung in § 152 Abs. 3 AO ist der Verspätungszuschlag regelmäßig "mit der Steuer" festzusetzen, d. h. in zeitlichem und sachlichem Zusammenhang mit der Steuerfestsetzung, nicht unbedingt auf demselben Schriftstück (s. BFH v. 11.06.1997, X R 14/95, BStBl II 1997, 642). Ein zeitlicher Zusammenhang ist zumindest dann anzunehmen, wenn innerhalb eines Monats nach der Steuerfestsetzung auch der Verspätungszuschlag festgesetzt wird. Geschieht die Festsetzung des Verspätungszuschlags ausnahmsweise nicht "mit der Steuer", wird ihre Rechtmäßigkeit davon jedenfalls nicht berührt, solange die Festsetzung des Verspätungszuschlags binnen Jahresfrist nachgeholt wird (BFH v. 10.10.2001, XI R 41/00, BStBl II 2002, 124; krit. zu Recht: BFH v. 13.04.2010, IX R 43/09, BStBl II 2010, 1684, dort auch zur möglichen Zulässigkeit der Festsetzung mehr als ein Jahr nach der Steuerfestsetzung). Eine Festsetzung des Verspätungszuschlags vor Erlass des zugehörigen Steuerbescheides ist zulässig (vgl. BFH v. 28.03.2007, IX R 22/05, BFH/NV 2007, 1450). Dieses gilt jedoch m. E. nur, soweit die maßgeblichen Grundlagen für die Ermessensausübung (Steuerbescheid, Steuererklärung) der Finanzbehörde bekannt sind. Auch liegt im Unterlassen einer Festsetzung mit der Steuer kein begünstigender Verwaltungsakt (BFH v. 10.10.2001, XI R 41/00, BStBl II 2002, 124; a. A. Brockmeyer in Klein, 9. Aufl., § 152 AO Rz. 13). Unerheblich ist, ob die Steuererklärung des Folgejahres bereits abgegeben wurde (BFH v. 27.07.2009, I B 36/09, juris). Zur Frage einer möglichen Festsetzungsfrist oder Verwirkung s. Rz. 29.

III. Entstehung, Fälligkeit und Verjährung

 

Tz. 28

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Der Verspätungszuschlag entsteht auf der Grundlage einer zu treffendenden Ermessensentscheidung – entgegen dem Wortlaut des § 38 AO (s. Drüen in Tipke/Kruse, § 38 AO Rz. 2 ff.) – mit der Bekanntgabe der Festsetzung; seine Fälligkeit richtet sich nach § 220 Abs. 2 AO (s. § 220 AO Rz. 4 ff.).

 

Tz. 29

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Wann ein Verspätungszuschlag erlischt, regelt § 47 AO. Eine Frist für die Festsetzung von Verspätungszuschlägen (Festsetzungsfrist) sieht das Gesetz jedoch nicht vor. Die sinngemäße Anwendung der §§ 169 mit 171 AO verbietet sich nach § 1 Abs. 3 Satz 2 AO. Eine Gesetzeslücke kann daher ebenfalls nicht angenommen werden (Heuermann in HHSp, § 152 AO Rz. 39). Folglich ergibt sich eine zeitliche Begrenzung für die Festsetzung eines Verspätungszuschlags ausschließlich aus dem Gesichtspunkt der Verwirkung (ebenso Seer in Tipke/Kruse, § 152 AO Rz. 91; vorsichtiger: Heuermann in HHSp, § 152 AO Rz. 39; einen grundsätzlich anderen Ansatz wählt wohl Rätke in Klein, § 152 AO Rz. 30), wobei allein die fehlende Festsetzung "mit der Steuer" zumindest innerhalb einer Frist von einem Jahr nicht zur Verwirkung des Festsetzungsrechts führt (s. Rz. 27). Auch nach Ablauf der Festsetzungsfrist für die Steuer ist die Festsetzung eines Verspätungszuschlags nicht grundsätzlich ausgeschlossen, da bspw. erst dann die Folgen der Pflichtverletzung in Gänze erkennbar sind (a. A. AEAO zu § 169, Nr. 5).

 

Tz. 30

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Der Anspruch aus der Festsetzung des Verspätungszuschlags unterliegt der Zahlungsverjährung (§ 228 AO).

IV. Rücknahme und Widerruf der Festsetzung

 

Tz. 31

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Auf die Festsetzung des Verspätungszuschlags finden die §§ 130, 131 AO Anwendung. Ändert sich die dem Verspätungszuschlag zu Grunde liegende Steuer oder der zu Grunde liegende Messbetrag, wird nach h. M. (BFH v. 08.09.1994, IV R 20/93, BFH/NV 1995, 520; Rätke in Klein, § 152 AO Rz. 40) die Festsetzung des Verspätungszuschlags rechtswidrig, weil die Finanzbehörde von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen ist. Sie hat in diesem Fall eine neue Ermessensentscheidung über die Höhe des nunmehr festzusetzenden Verspätungszuschlags zu treffen und diesen festzusetzen (es liegt keine Teilrücknahme des ursprünglichen Verwaltungsakts vor, BFH v. 08.09.1994, IV R 20/93, BFH/NV 1995, 520), wobei auch eine Herabsetzung der Steuer nicht notwendigerweise eine Herabsetzung des Verspätungszuschlags zur Folge haben muss (BFH v. 20.09.1990, V R 85/85...

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