Tz. 34

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Die öffentliche Zustellung kommt nur als "letztes Mittel" der Bekanntgabe in Betracht, wenn alle Möglichkeiten erschöpft sind, das Dokument dem Empfänger in anderer Weise zu übermitteln. Eine öffentliche Zustellung wegen eines unbekannten Aufenthaltsortes des Empfängers (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VwZG) ist nicht bereits dann zulässig, wenn die Finanzbehörde die Anschrift nicht kennt oder Briefe als unzustellbar zurückkommen. Die Anschrift des Empfängers muss vielmehr allgemein unbekannt sein. Dies ist durch eine Erklärung der zuständigen Meldebehörde oder auf andere Weise zu belegen. Die bloße Feststellung, dass sich der Empfänger bei der Meldebehörde abgemeldet hat, ist nicht ausreichend. Die Finanzbehörde muss daher, bevor sie durch öffentliche Bekanntmachung zustellt, die nach Sachlage gebotenen und zumutbaren Ermittlungen anstellen. Welche Anforderungen an diese Ermittlungen zu stellen sind, hängt u. a. von dem Vorverhalten des Zustellungsempfängers ab (BFH v. 14.03.2017, X S 18/16, BFH/NV 2017, 909). Dazu gehören insbes. Nachforschungen bei der Meldebehörde, u. U. auch die Befragung von Angehörigen oder des bisherigen Vermieters des Empfängers. Auch Hinweisen auf den mutmaßlichen neuen Aufenthaltsort des Empfängers muss durch Rückfrage bei der dortigen Meldebehörde nachgegangen werden. Ist zu vermuten, dass sich der Steuerpflichtige in einem bestimmten anderen Land aufhält, sind die Ermittlungsmöglichkeiten des zwischenstaatlichen Auskunftsaustausches nach dem BMF v. 25.01.2006, BStBl I 2006, 26 auszuschöpfen (BFH v. 09.12.2009, X R 54/06, BStBl II 2010, 732, AEAO zu § 122, Nr. 3.1.5.1). Nicht zulässig ist daher beispielsweise, eine öffentliche Zustellung bereits dann anzuordnen, wenn eine versuchte Bekanntgabe unter einer Adresse, die der Empfänger angegeben hat, einmalig fehlgeschlagen ist oder wenn lediglich die Vermutung besteht, dass eine Adresse, an die sich der Empfänger bei der Meldebehörde abgemeldet hat, eine Scheinadresse ist (BFH v. 06.06.2000, VII R 55/99, BStBl II 2000, 560; BFH v. 13.03.2003, VII B 196/02, BStBl II 2003, 609). Eine öffentliche Zustellung ist aber wirksam, wenn die Finanzbehörde durch unrichtige Auskünfte Dritter zu der unrichtigen Annahme verleitet wurde, der Empfänger sei unbekannten Aufenthaltsortes, sofern die Finanzbehörde auf die Richtigkeit der ihr erteilten Auskunft vertrauen konnte (BFH v. 13.03.2003, VII B 196/02, BStBl II 2003, 609). Eine Zustellung durch öffentliche Bekanntmachung ist nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 VwZG auch möglich, wenn bei juristischen Personen, die zur Anmeldung einer inländischen Geschäftsanschrift zum Handelsregister verpflichtet sind, eine Zustellung weder unter der eingetragenen Anschrift noch unter einer im Handelsregister eingetragenen Anschrift einer für Zustellungen empfangsberechtigten Person oder einer ohne Ermittlungen bekannten anderen inländischen Anschrift möglich ist. Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 VwZG kommt eine öffentliche Zustellung zudem auch dann in Betracht, wenn eine Zustellung im Ausland nicht möglich ist (s. Rz. 33) oder keinen Erfolg verspricht. Eine Zustellung im Ausland verspricht keinen Erfolg, wenn sie grundsätzlich möglich wäre, ihre Durchführung aber etwa wegen Kriegs, Abbruchs der diplomatischen Beziehungen, Verweigerung der Amtshilfe oder unzureichender Vornahme durch die örtlichen Behörden nicht zu erwarten ist. Der Umstand, dass die Ausführung eines Zustellungsersuchens längere Zeit in Anspruch nehmen wird, rechtfertigt aber nicht die Anordnung einer öffentlichen Zustellung (BFH v. 06.06.2000, VII R 55/99, BStBl II 2000, 560). Die Wirksamkeit der öffentlichen Zustellung setzt einen Hinweis nach § 10 Abs. 2 Satz 3 VwZG voraus. Fehlt dieser Hinweis, geht der Bescheid dem Adressaten zu, wenn sein Bevollmächtigter durch Akteneinsicht tatsächlich Kenntnis von diesem erlangt (BFH v. 13.09.2017, III R 6/17, BFH/NV 2018, 403). Der Verwaltungsakt gilt zwei Wochen nach dem Tag der Bekanntmachung der Benachrichtigung als zugestellt (§ 10 Abs. 2 Satz 6 VwZG). Dies gilt auch dann, wenn dem Empfänger vor Ablauf dieser zweiwöchigen Frist der Verwaltungsakt ausgehändigt wurde. Die Frist gem. § 10 Abs. 2 Satz 6 VwZG bestimmt sich nach § 108 Abs. 1 AO i. V. m. §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB. Bei der Berechnung der Frist ist ggf. § 108 Abs. 3 AO zu beachten.

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