Tz. 17

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Die Inanspruchnahme der Gesamtschuldner durch die Finanzbehörde wird in § 44 AO nicht angesprochen. Sie ist in das Ermessen der Finanzbehörde (s. § 5 AO) gestellt. § 44 AO bestimmt lediglich, gegen welche Personen die Forderung gerichtet werden kann. Soweit es sich um die Inanspruchnahme eines Haftenden auf Zahlung handelt, ist § 219 AO zu beachten, der zwingend vorschreibt, dass die Finanzbehörde regelmäßig vorher die Vollstreckung in das bewegliche Vermögen des Steuerschuldners versuchen muss, sofern nicht anzunehmen ist, dass die Vollstreckung aussichtslos sein würde (s. § 219 AO Rz. 2). Ausgangspunkt jeder Überlegung muss im Übrigen sein, dass die Gesamtschuldnerschaft der Finanzbehörde grundsätzlich eine möglichst rasche und sichere Erhebung der Steuerschuld ermöglichen soll (BFH v. 11.05.1966, II 171/63, BStBl III 1966, 400). Deshalb kann es für die Zulässigkeit der Inanspruchnahme eines Gesamtschuldners regelmäßig nicht darauf ankommen, dass dieser von den anderen Gesamtschuldnern im Innenverhältnis keinen Ausgleich mehr bekommen kann (BFH v. 28.02.1973, II R 57/71, BStBl II 1973, 573). Soll die Inanspruchnahme eines Gesamtschuldners demnach ermessensfehlerhaft sein, müssen besondere Umstände vorliegen.

 

Tz. 18

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Die Finanzbehörde kann die Leistung auch zum Teil von dem einen und zum Teil von den anderen Verpflichteten verlangen oder von der Inanspruchnahme eines Verpflichteten absehen. Ein Ermessensfehler kann darin liegen, dass ein Gesamtschuldner auf die Möglichkeit einer künftig eintretenden Steuerpflicht bzw. späteren Nacherhebung nicht aufmerksam gemacht worden ist, er vielmehr erst nach Jahren von der Finanzbehörde überraschend von dem Steueranspruch unterrichtet wird, sodass er sich finanziell – u. U. auch durch Regressnahme – nicht mehr einzurichten vermag (BFH v. 11.05.1966, II 171/63, BStBl III 1966, 400). Auch wenn es grundsätzlich möglich ist, eine Gesamtschuld nach Köpfen auf die Gesamtschuldner zu verteilen, wird dies regelmäßig nicht dem Zweck der Sicherung des Steueraufkommens entsprechen (s. § 85 AO), denn dies würde eine Verlagerung des Risikos der Realisierbarkeit des gesamtschuldnerischen Innenausgleichs auf die Allgemeinheit bedeuten.

 

Tz. 19

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Gemäß § 155 Abs. 3 AO können gegen Gesamtschuldner zusammengefasste Steuerbescheide ergehen, wobei auf das Innenverhältnis keine Rücksicht genommen zu werden braucht (s. im Übrigen die Erläuterungen zu § 155 AO Rz. 23 ff.). Wird die Gesamtschuld durch Einzelbescheide geltend gemacht, so sollen in jedem einzelnen Bescheid diejenigen Personen namentlich aufgeführt werden, mit denen der in Anspruch genommene als Gesamtschuldner herangezogen wird. Unterbleibt dies, so wird die Wirksamkeit des Bescheids hierdurch nicht beeinträchtigt (BFH v. 28.06.1984, IV R 204–205/82, BStBl II 1984, 784).

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