Tz. 6

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

§ 133a Abs. 1 FGO bestimmt neben dem Anwendungsbereich der Anhörungsrüge, dass die Rüge durch einen Beteiligten erhoben werden kann. Beteiligte sind die nach allgemeinen Regelungen zu bestimmenden Verfahrensbeteiligten i. S. des § 57 FGO, also in der Regel Stpfl. und Finanzbehörde. Erforderlich ist zudem eine Beschwer, die durch die Entscheidung des Gerichts entstanden sein muss. Ob Beschwer vorliegt, richtet sich danach, ob der Ausspruch des Gerichts hinter dem Antrag des Klägers zurückbleibt (allgemein zur Beschwer s. Vor §§ 115–134 FGO Rz. 8). Mit der Rüge kann also nicht geltend gemacht werden, das Gericht habe seine Entscheidung auf einen anderen Gesichtspunkt stützen müssen.

 

Tz. 7

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

In § 133a Abs. 2 FGO sind die formellen Anforderungen an die Rüge genannt. Die Rüge ist schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu erheben. Im Rahmen des elektronischen Rechtsverkehrs kann die Rüge auch per E-Mail übermittelt werden (s. § 52a FGO). Anzubringen ist die Rüge bei dem Gericht, das die angegriffene Entscheidung erlassen hat, also entweder beim FG oder BFH. Für die Rüge beim BFH ist der Vertretungszwang zu berücksichtigen (§ 133a Abs. 2 Satz 4 FGO i. V. m. § 62 Abs. 4 FGO; BFH v. 25.07.2016, X S 10/16, BFH/NV 2016, 1739,). Ein unklarer Antrag ist im Zweifel zugunsten des erkennbaren Rechtsschutzziels auszulegen. Allerdings kann ein ausdrücklich als Gegenvorstellung oder außerordentliche Beschwerde bezeichneter Antrag nicht in eine zulässige Anhörungsrüge umgedeutet werden (BFH v. 30.11.2011, VIII 181/05, BStBl II 2006, 188; BFH v. 22.03.2011, X B 198/10, BFH/NV 2011, 1166); differenzierend aber BFH v. 02.10.2012, I S 12/12, BFH/NV 2013, 773, wenn sich aus dem Vorbringen ergibt, dass ausschließlich eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gerügt wird. Dies entspricht dem Ausnahmecharakter der außerordentlichen Rechtsbehelfe, auch wenn sich dadurch scheinbar eine Rechtsschutzverkürzung ergibt. Einer weitergehenden Eröffnung von Rechtsschutzmöglichkeiten bedarf es auch aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht.

 

Tz. 8

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Die Frist für die Einlegung der Beschwerde beträgt zwei Wochen. Der Fristbeginn knüpft an die Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs an. Maßgeblich ist der Zeitpunkt, in dem der Betroffene objektive Kenntnis von den Umständen erhält, die die Annahme einer Verletzung rechtfertigen können (BFH v. 14.10.2010, X S 19/10, BFH/NV 2011, 62; BFH v. 20.04.2011, I S 2/11, BFH/NV 2011, 1882). Ist ein Prozessbevollmächtigter bestellt, kommt es auf dessen Kenntnis an (BFH v. 29.08.2011, III S 11/11, BFH/NV 2011, 2088). Dieser Zeitpunkt lässt sich unter Umständen schwer bestimmen und ist vom Rügeführer glaubhaft zu machen (§ 133a Abs. 2 2. HS FGO). In aller Regel wird der Betroffene spätestens mit der Bekanntgabe der gerichtlichen Entscheidung (Urteil, Beschluss) Kenntnis erlangen. Denn zu diesem Zeitpunkt erhält er Gelegenheit, die Umstände zur Kenntnis zu nehmen, aus denen sich eine Gehörsverletzung ergeben kann (BFH v. 04.05.2011, X S 8/11, BFH/NV 2011, 1383). Zur Glaubhaftmachung können insbes. die Ausführungen im Protokoll und in den Urteilsgründen herangezogen werden. Eine eidesstattliche Versicherung des Rügeführers dürfte in der Praxis nur ausnahmsweise geeignet sein, die Kenntnis zu belegen. Während die Rüge selbst innerhalb der Zwei-Wochen-Frist angebracht sein muss, kann die Glaubhaftmachung auch nach Fristablauf erfolgen. Die Rüge ist ausgeschlossen, wenn seit der Bekanntgabe der angegriffenen Entscheidung ein Jahr verstrichen ist. Auf diese Weise soll endgültige Rechtssicherheit erreicht werden.

 

Tz. 9

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Weitere Voraussetzung ist nach § 133a Abs. 2 Satz 5 FGO, dass die Rüge die angegriffene Entscheidung bezeichnet und der Rügeführer das Vorliegen der Voraussetzungen des § 133a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 FGO darlegt. Die Vorschrift statuiert damit eine Begründungspflicht, die dem Zweck dient, eine Befassung des Gerichts mit pauschal und unsubstantiiert erhobenen Rügen zu vermeiden. Zur Bezeichnung der angegriffenen Entscheidung ist deren konkrete Benennung, insbes. durch das Aktenzeichen, ausreichend. Ziel der Bezeichnungspflicht ist, Rügen auszuschließen, die nicht verfahrensbezogen sind. Damit wird pauschalen Einwendungen gegen Spruchkörper, die in der Praxis nicht selten sind, der Boden entzogen. Die Darlegungspflicht des Rügeführers betrifft zweierlei. Zum einen müssen die Tatsachen dargelegt werden, aus denen sich die Verletzung rechtlichen Gehörs ergibt (z. B. Nichtbeachtung eines Beweisangebotes, Ignorieren von Vorbringen). Dem Darlegungserfordernis ist Genüge getan, wenn der Rügeführer schlüssig substantiiert und nachvollziehbar darstellt, zu welchen Fragen er sich nicht äußern konnte und welches Vorbringen das Gericht unter Verstoß gegen Art. 103 GG nicht zur Kenntnis genommen hat (BFH v. 03.11.2010, X S 28/10, BFH/NV 2011, 203; ...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Kühn, Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung (Schäffer-Poeschel). Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge