Tz. 7

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Mit Sitzungspolizei sind alle Maßnahmen gemeint, die der Aufrechterhaltung der Ordnung in der Sitzung, d. h. der äußeren Ordnung des Verfahrensablaufs und dem Schutz der Verfahrensbeteiligten, im Interesse einer ordnungsgemäßen Prozessführung dienen (BVerfG v. 14.07.1994, 1 BvR 1595/92, 1 BvR 1606/92, BVerfGE 91, 125; Brandis in Tipke/Kruse, § 52 FGO Rz. 13; Leipold in HHSp, § 52 FGO Rz. 44; Lückemann in Zöller, § 176 GVG Rz. 5). Der Verweis in § 52 Abs. 1 FGO betrifft die §§ 176 bis 183 GVG.

§ 176 GVG

Die Aufrechterhaltung der Ordnung in der Sitzung obliegt dem Vorsitzenden.

§ 177 GVG

Parteien, Beschuldigte, Zeugen, Sachverständige oder bei der Verhandlung nicht beteiligte Personen, die den zur Aufrechterhaltung der Ordnung getroffenen Anordnungen nicht Folge leisten, können aus dem Sitzungszimmer entfernt sowie zur Ordnungshaft abgeführt und während einer zu bestimmenden Zeit, die vierundzwanzig Stunden nicht übersteigen darf, festgehalten werden. Über Maßnahmen nach Satz 1 entscheidet gegenüber Personen, die bei der Verhandlung nicht beteiligt sind, der Vorsitzende, in den übrigen Fällen das Gericht.

§ 178 GVG

(1) Gegen Parteien, Beschuldigte, Zeugen, Sachverständige oder bei der Verhandlung nicht beteiligte Personen, die sich in der Sitzung einer Ungebühr schuldig machen, kann vorbehaltlich der strafgerichtlichen Verfolgung ein Ordnungsgeld bis zu eintausend Euro oder Ordnungshaft bis zu einer Woche festgesetzt und sofort vollstreckt werden. Bei der Festsetzung von Ordnungsgeld ist zugleich für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, zu bestimmen, in welchem Maße Ordnungshaft an seine Stelle tritt.

(2) Über die Festsetzung von Ordnungsmitteln entscheidet gegenüber Personen, die bei der Verhandlung nicht beteiligt sind, der Vorsitzende, in den übrigen Fällen das Gericht.

(3) Wird wegen derselben Tat später auf Strafe erkannt, so sind das Ordnungsgeld oder die Ordnungshaft auf die Strafe anzurechnen.

§ 179 GVG

Die Vollstreckung der vorstehend bezeichneten Ordnungsmittel hat der Vorsitzende unmittelbar zu veranlassen.

§ 180 GVG

Die in den §§ 176 bis 179 bezeichneten Befugnisse stehen auch einem einzelnen Richter bei der Vornahme von Amtshandlungen außerhalb der Sitzung zu.

§ 181 GVG

(1) Ist in den Fällen der §§ 178, 180 ein Ordnungsmittel festgesetzt, so kann gegen die Entscheidung binnen einer Frist von einer Woche nach ihrer Bekanntmachung Beschwerde eingelegt werden, sofern sie nicht von dem Bundesgerichtshof oder einem Oberlandesgericht getroffen ist.

(2) Die Beschwerde hat in dem Falle des § 178 keine aufschiebende Wirkung, in dem Falle des § 180 aufschiebende Wirkung.

(3) Über die Beschwerde entscheidet das Oberlandesgericht.

§ 182 GVG

Ist ein Ordnungsmittel wegen Ungebühr festgesetzt oder eine Person zur Ordnungshaft abgeführt oder eine bei der Verhandlung beteiligte Person entfernt worden, so ist der Beschluss des Gerichts und dessen Veranlassung in das Protokoll aufzunehmen.

§ 183 GVG

Wird eine Straftat in der Sitzung begangen, so hat das Gericht den Tatbestand festzustellen und der zuständigen Behörde das darüber aufgenommene Protokoll mitzuteilen. In geeigneten Fällen ist die vorläufige Festnahme des Täters zu verfügen.

 

Tz. 8

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Dem Vorsitzenden (bei Einzelrichtersachen auch dem Einzelrichter, §§ 176, 177 Satz 2 GVG) stehen bei Ungehorsam von Beteiligten, Zeugen, Sachverständigen oder bei der Verhandlung nicht beteiligten Personen zwei Ordnungsmittel zur Verfügung, nämlich die Entfernung aus dem Sitzungszimmer als milderes Mittel und Ordnungshaft bis zu einer Dauer von 24 Stunden zur Verfügung (§ 177 Satz 1 GVG). Nicht erfasst sind Rechtsanwälte und Steuerberater, soweit sie als Prozessbevollmächtigte auftreten (Brandis in Tipke/Kruse, § 52 FGO Rz. 18 m. w. N.). Ungehorsam bedeutet die Nichtbefolgung einer Anordnung durch den Vorsitzenden nach § 176 GVG, die mit den Mitteln des § 177 GVG durchgesetzt wird (Lückemann in Zöller, § 177 GVG Rz. 1). Die Ordnungsmittel werden nach Anhörung des Betroffenen durch Beschluss verhängt (§ 181 GVG), gegen den die Beschwerde statthaft ist (§§ 128 Abs. 1, 129 FGO). Dabei ist § 181 Abs. 1 und Abs. 3 GVG im Hinblick auf § 2 Abs. 1 FGO nicht anwendbar (Brandis in Tipke/Kruse, § 52 FGO Rz. 23; Leipold in HHSp, § 52 FGO Rz. 65; Stapperfend in Gräber, § 52 FGO Rz. 28; Schoenfeld in Gosch, § 52 FGO Rz. 54 f.). Die Verhängung des Ordnungsmittels ist zu protokollieren (§ 182 GVG).

 

Tz. 9

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Macht sich ein Beteiligter, Zeuge, Sachverständiger oder eine bei der Verhandlung nicht beteiligte Person in der Sitzung einer Ungebühr schuldig, so kann ein Ordnungsgeld von 5 bis 1 000 EUR oder Ordnungshaft von einem Tag bis einer Woche verhängt werden (§ 178 Abs. 1 Satz 1 GVG, Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 EGStGB). Ungebühr ist die vorsätzliche grobe Verletzung der Ordnung der Gerichtsverhandlung, insbes. die Missachtung der Aufgaben des Gerichts (Brandis in Tipke/Kruse, § 52 FGO Rz. 21 m. w. N.), z...

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