I. Bestandsaufnahme

 

Tz. 2

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Nach den Verbrauchsteuergesetzen entsteht die Verbrauchsteuer mit der Entfernung steuerpflichtiger Waren aus dem Steuerlager oder mit ihrer Entnahme zum Verbrauch im Steuerlager, wenn sich kein weiteres Steueraussetzungsverfahren oder Zollverfahren anschließt. Zur Überprüfung dieser Vorgänge ordnen Verbrauchsteuergesetze oder -verordnungen (z. B. § 4 Abs. 4 KaffeeStV, § 16 Abs. 1 SchaumwZwStV, § 11 Abs. 1 BierStV, § 14 Abs. 1 BranntwStV, § 12 TabStV, §§ 15, 19 Abs. 5, 40 Abs. 2, 56 Abs. 7, 67 Abs. 3, 75 Abs. 3 EnergieStDV) die Ermittlung des Ist-Bestandes, d. h. die körperliche Aufnahme der Bestände an verbrauchsteuerpflichtigen Waren an. § 161 AO ist keine eigenständige Regelung von Bestandsaufnahmen. Hersteller, Inhaber von Steuerlagern, Verwender von Waren und andere Personen haben jährlich zu einem Stichtag sog. vorgeschriebene Bestandsaufnahmen durchzuführen und das Ergebnis, die Ist-Bestände, zusammen mit den von ihnen berechneten Soll-Bestand der zuständigen Finanzbehörde (HZA) anzumelden (vorgeschriebene Bestandsaufnahme). Außerdem können die HZA anstelle oder zusätzlich sog. amtliche Bestandsaufnahmen durchführen. Es handelt sich dabei um eine Form der Nachschau gem. § 210 AO. Die Bestandsaufnahme umfasst nicht stets neben der Feststellung des Ist-Bestandes auch die Ermittlung des Soll-Bestandes (BFH v. 19.05.1992, VII S 12/92, BFH/NV 1993, 144 m. w. N.), wenngleich sich eine Fehlmenge nur dadurch ermitteln lässt, dass der festgestellte Ist-Bestand mit dem Soll-Bestand bezogen auf den Zeitpunkt der Feststellung des Ist-Bestands verglichen wird. Das HZA kann die Angaben zum Soll-Bestand, u. a. die tatsächlichen Zu- und Abgänge, z. B. im Rahmen einer Betriebsprüfung prüfen und die Ergebnisse der Prüfung der Fehlmengenberechnung zugrunde legen (BFH v. 19.05.1992, VII S 12/92, BFH/NV 1993, 144 m. w. N.).

II. Fehlmenge

 

Tz. 3

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Fehlmenge ist der Unterschied zwischen dem bei der Bestandsaufnahme ermittelten Soll-Bestand, der sich rein rechnerisch durch Abziehen des Gesamtabgangs von dem Gesamtzugang nach dem Inhalt der Anschreibungen ergibt, und dem bei der Bestandsaufnahme vorgefundenen Ist-Bestand, wenn dieser geringer ist als der Sollbestand (BFH v. 06.11.1990, VII R 31/88, BFHE 162, 191).

III. Gesetzliche Vermutung

 

Tz. 4

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Wird bei der vorgeschriebenen oder amtlich durchgeführten Bestandsaufnahme (s. Rz. 2) eine Fehlmenge festgestellt, d. h. ist der Soll-Bestand höher als der Ist-Bestand, so führt dies zu der gesetzlichen Vermutung, dass hinsichtlich der Fehlmenge eine Verbrauchsteuer entstanden ist. Die Alternative des § 160 Satz 1 2. Alt. AO, wonach die bedingte Steuer zu einer unbedingten wird, ist nicht mehr relevant (Seer in Tipke/Kruse, § 160 AO Rz. 3; s. § 50 AO Rz. 1). Dabei darf zur Ermittlung der zu versteuernden Fehlmengen der Ist-Bestand der Sollmenge gegenübergestellt werden, die sich auf den Vergleichszeitpunkt aus der Saldierung der dem Lager tatsächlich zugeführten und der dem Lager tatsächlich entnommenen Mengen ergibt. Die gesetzliche Vermutung setzt jedoch voraus, dass bei der Bestandsaufnahme keine Fehler unterlaufen sind, sonst greift sie nicht ein (BFH v. 23.03.1982, VII R 62/79, BFHE 135, 256). Nach § 160 Satz 2 AO wird widerlegbar vermutet, dass die Steuer im Zeitpunkt der Bestandsaufnahme entstanden ist.

IV. Widerlegung der Vermutung

 

Tz. 5

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Diese den Betriebsinhaber belastende Vermutung kann von diesem dadurch entkräftet werden, dass er glaubhaft macht, d. h. die überwiegende Wahrscheinlichkeit zur Überzeugung der Finanzbehörde darlegt, dass die Fehlmengen auf Umstände zurückzuführen sind, die eine Steuer nicht begründen; Glaubhaftmachung der konkreten steuerunschädlichen Umstände zur Entstehung der Fehlmenge genügt (BFH v. 07.11.1995, VII B 67/95, BFH/NV 1996, 391). So kann sich z. B. der Bestand durch Schwund oder Verderb vermindert haben. Der Hinweis, bei einer anderen Warengruppe hätte die Bestandsaufnahme Mehrmengen ergeben, sodass von einer Verwechslung oder Vertauschung ausgegangen werden könne, reicht nicht aus (BFH v. 06.11.1990, VII R 31/88, HFR 1991, 262). Zwar bleiben das Recht und die Pflicht der Finanzbehörde, ihrerseits den Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären, unberührt. Die Regelung bewirkt jedoch, dass die Unmöglichkeit, restliche Zweifel zu beseitigen, sich zulasten des Stpfl. auswirkt (BFH v. 07.11.1995, VII B 67/95, BFH/NV 1996, 391 m. w. N.).

V. Verfahrensfragen

 

Tz. 6

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Die Anordnung der Bestandsaufnahme ist ein mit Einspruch und Anfechtungsklage anfechtbarer Verwaltungsakt, nicht dagegen die Bestandsaufnahme selbst und die Feststellung der Fehlmenge. Die Schwundmengenfeststellung aufgrund gesetzlicher Regelungen stellt einen Verwaltungsakt dar (s. Rz. 3; Seer in Tipke/Kruse, § 161 AO Rz. 38; Wöhner in Schwarz/Pahlke, § 161 AO Rz. 36).

 

Tz. 7

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Die amtlich durchgeführte Bestandsaufnahme ist keine Außenprüfung und löst daher keine Änderungssperre i. S. des § 173 Ab...

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