Tz. 13

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Anders als die Sicherungsanordnung dient die Regelungsanordnung nicht der Beibehaltung eines bestehenden Zustands, sondern der vorläufigen Regelung eines streitigen Rechtsverhältnisses. Damit ist der Anwendungsbereich hinsichtlich des Anordnungsanspruchs auf die Vornahme einer bestimmten Handlung oder eines bestimmten Zustandes gerichtet (Loose in Tipke/Kruse, § 114 FGO Rz. 23). Damit liegt der Hauptanwendungsbereich der Regelungsanordnung im Bereich der Verfahren, in denen das Klagebegehren im Hauptsacheverfahren mit der Verpflichtungsklage zu verfolgen ist. Insoweit bestehen Abgrenzungsschwierigkeiten zur Sicherungsanordnung, die aber in der Praxis ohne Auswirkung bleiben. So wird bei der einstweiligen Anordnung der Einstellung der Zwangsvollstreckung (§ 258 AO) an Stelle einer Sicherungsanordnung auch der Erlass einer Regelungsanordnung in Betracht gezogen (Loose in Tipke/Kruse, § 114 FGO Rz. 24; Koch in Gräber, § 114 FGO Rz. 45). Der BFH (BFH v. 15.01.2003, V S 17/02, BFH/NV 2003, 738) verzichtet auf eine Zuordnung zu den Tatbestandsalternativen des § 114 Abs. 1 FGO. Auch Ansprüche auf Billigkeitsmaßnahmen (Erlass, Stundung) können grundsätzlich Gegenstand einer Regelungsanordnung sein; hier besteht jedoch in aller Regel die Gefahr einer Vorwegnahme der Hauptsache (s. Rz. 3), sodass die Erfolgsaussichten eines solchen Antrags gering sind und allenfalls dann bestehen, wenn sich nach dem Sachverhalt bei summarischer Prüfung ergibt, dass im Hauptverfahren eine Ermessensreduzierung auf "null" eingetreten ist. Anordnungsansprüche können sich ferner dann ergeben, wenn der Steuerpflichtige eine Handlung der Finanzbehörde begehrt, z. B. die Ausstellung von (Freistellungs-)Bescheinigungen, den Erlass eines Abrechnungsbescheids, die vorläufige Anerkennung der Gemeinnützigkeit, Umbuchung von Steuererstattungen.

 

Tz. 14

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Bezüglich des Anordnungsgrundes bestimmt § 114 Abs. 1 Satz 2 FGO, dass die einstweilige Regelung zur Verhinderung wesentlicher Nachteile, drohender Gewalt oder aus anderen Gründen "nötig" sein muss. "Andere Gründe" i. S. dieser Vorschrift müssen ebenso schwer wiegen wie die anderen genannten Gründe, insbes. reichen bloße wirtschaftliche Interessen nicht aus. Vielmehr müssen die Gründe allesamt so schwerwiegend sein, dass der Erlass der einstweiligen Anordnung unabweisbar ist (BFH v. 24.05.2016, V B 123/15, BFH/NV 2016, 1253). Bei dieser Feststellung ist eine Interessenabwägung zwischen den Interessen des Antragstellers und der Allgemeinheit vorzunehmen. Dabei überwiegt das Interesse des Antragstellers, wenn sein Interesse an der vorläufigen Regelung das der Allgemeinheit an der Beibehaltung des bisherigen Zustands überwiegt. Dies kann nur dann der Fall sein, wenn die Maßnahme zur Vermeidung wesentlicher Nachteile geradezu zwingend geboten ist. Keine wesentlichen Nachteile in diesem Sinne sind die Folgen, die regelmäßig mit der Steuerzahlung verbunden sind, dazu gehört auch eine etwa notwendig werdende Kreditaufnahme, Zinsverlust, die Zurückstellung von Investitionen oder die Einschränkung des Lebensstandards. Ein wesentlicher Nachteil liegt jedoch vor, wenn die Existenz des Stpfl. unmittelbar bedroht ist (BFH v. 23.09.1998, I B 82/98, BStBl II 2000, 320). Ob die Erfolgsaussichten in der Hauptsache bei der Prüfung des Anordnungsgrundes mit zu berücksichtigen sind, ist str. (dafür: Koch in Gräber, § 114 FGO Rz. 56; Lemaire, Der vorläufige Rechtsschutz im Steuerrecht, 236; dagegen: BFH v. 14.01.1987, II B 102/86, BStBl II 1987, 269; Loose in Tipke/Kruse, § 114 FGO Rz. 31). U. E. besteht jedenfalls dann kein Anordnungsgrund, wenn die Erfolgsaussichten in der Hauptsache bei summarischer Prüfung gering einzuschätzen sind; allerdings wird es in diesen Fällen in der Regel schon am Anordnungsgrund fehlen. Zu den in die Abwägung einzubeziehenden Allgemeinwohlinteressen maßgeblicher Kriterien gehört auch das Interesse an einer geordneten öffentlichen Haushaltswirtschaft, anders ausgedrückt also auch die Sicherung des Steueraufkommens. Auch dies kann jedoch – insbes. bei erheblichem Zweifel an einer für den Stpfl. ungünstigen Regelung – hinter dem Individualinteresse zurücktreten (s. BFH v. 22.08.2007, VI B 42/07, BFH/NV 2007, 1998 zu § 69 FGO: Entfernungspauschale).

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