Tz. 18

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Auch eine Schätzung (§ 162 AO) stellt eine Grenze der Amtsermittlungspflicht dar. Dabei können bei Grundlagenbescheiden die Besteuerungsgrundlagen – nicht nur der Höhe, sondern auch dem Grunde nach geschätzt werden (BFH v. 20.07.2010, X B 70/10, BFH/NV 2010, 2007; BFH v. 19.01.2017, III R 28/14, BStBl II 2017, 743). Innerhalb des der Finanzbehörde zustehenden Schätzungsrahmens braucht nur dasjenige ermittelt zu werden, was die "größte Wahrscheinlichkeit" der Richtigkeit für sich hat, nicht das, was "mit einiger Sicherheit nachgewiesen" werden kann. Grenzen der Ermittlungspflicht können auch durch das Gesetz gezogen werden (z. B. s. §§ 159 bis 161 AO).

Grenzen der amtlichen Ermittlungspflicht können auch durch das Steuergeheimnis (§ 30 AO) bedingt sein. Infolge des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs, der auch das Besteuerungsverfahren beherrscht (s. auch § 91 AO), verbieten sich Ermittlungen, deren Ergebnis mit Rücksicht auf das Steuergeheimnis vor den Beteiligten geheim gehalten werden müsste.

Wo die amtliche Ermittlungspflicht ihre Grenze hat, bestimmt sich nicht zuletzt auch nach der Art und dem Ziel des durchzuführenden Verwaltungsverfahrens. Belastende Verwaltungsakte werden weitgehender von tatsächlichen Grundlagen getragen, deren Ermittlung überwiegend Aufgabe der Finanzbehörde ist; begünstigende Verwaltungsakte, insbes. solche, auf deren Gewährung kein Rechtsanspruch besteht und die üblicherweise auf Antrag gewährt werden, bedingen primär eine ausreichende Darlegung des maßgebenden Sachverhalts durch den begünstigten Beteiligten. Letztlich lassen sich jedoch die Ermittlungsgrenzen nur anhand der Umstände der Einzelfälle bestimmen (BFH v. 15.05.2007, XI B 147/06, BFH/NV 2007, 1632; v. 28.10.2009, VIII R 78/05, BStBl II 2010, 455; FG Köln v. 23.10.2013, 4 K 1589/10, EFG 2014, 411). Dabei können auch Zweckmäßigkeitserwägungen einfließen (AEAO zu § 88, Nr. 1 Abs. 2). Dazu gehört auch, dass bei erschwerter Sachverhaltsermittlung eine tatsächliche Verständigung zulässig ist (s. Vor §§ 204–207 AO Rz. 15 ff.).

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