Tz. 9

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

§ 236 Abs. 2 AO ordnet die entsprechende Anwendung des § 236 Abs. 1 AO an, wenn die in § 236 Abs. 2 Nr. 1 und 2 AO bezeichneten Voraussetzungen vorliegen, die sich ihrem Wesen nach und im Ergebnis nicht von den Fällen unterscheiden, in denen die Änderung unmittelbar durch die Gerichtsentscheidung veranlasst ist. Die Entscheidung muss kausal für die Herabsetzung der Steuer oder die Gewährung der Steuervergütung sein (BFH v. 15.10.2003, X R 48/01, BStBl 2004, 169).

Nach § 236 Abs. 2 Nr. 1 AO treten die Zinsfolgen des § 236 Abs. 1 AO auch dann ein, wenn sich der Rechtsstreit dadurch erledigt, dass die Finanzbehörde dem Klagebegehren durch Erlass eines Aufhebungs- oder Änderungsbescheids entspricht. Der Anspruch auf Prozesszinsen entsteht, sobald der Rechtsstreit infolge der übereinstimmenden Erledigungserklärungen beendet ist (BFH v. 25.01.2007, III R 85/06, BStBl II 2007, 598). Davon zu unterscheiden ist der Zinslauf, wenn z. B. Steuervergütungen zuvor aufgrund eines Verfahrens im einstweiligen Rechtsschutz ausgezahlt wurden. Vom Wortlaut nicht angesprochen ist der Erlass eines Teilabhilfebescheids, der über § 68 FGO automatisch mit dem Ziel zum Gegenstand des Gerichtsverfahrens gemacht wird, einen weitergehenden Erfolg der Klage zu erreichen. In diesem Fall wird eine Erledigung der Hauptsache i. S. des § 236 Abs. 2 Nr. 1 AO auch dann anzunehmen sein, wenn der Rechtsstreit nur noch hinsichtlich eines "Reststreitgegenstandes" fortgeführt wird, der Kläger aber im Übrigen klaglos gestellt wurde. Dass diese (teilweise) "Hauptsacheerledigung" ohne entsprechende Erledigungserklärung der Beteiligten eintritt, ändert nichts an der aufgezeigten Konsequenz, da die Vorschrift nicht auf die formelle Erledigungserklärung, sondern auf die materielle Erledigung des Rechtsstreits abstellt. Desgleichen ist ein Zinsanspruch nach § 236 Abs. 2 Nr. 1 AO zu bejahen, wenn sich die Hauptsache eines einen Vorauszahlungsbescheid betreffenden Rechtsstreits durch einen das Klagebegehren zubilligenden Jahresbescheid erledigt. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 236 Abs. 2 Nr. 1 AO sind auch erfüllt, wenn der Kläger, nachdem die Behörde dem Klagebegehren durch Änderungsbescheid teilweise entsprochen hat, die Klage zurücknimmt (BFH v. 13.07.1994, I R 38/93, BStBl II 1995, 37; BFH v. 11.04.2013, III R 11/12, BStBl II 2013, 665). Auch insoweit ist dem Umstand Rechnung zu tragen, dass der Anspruch auf Prozesszinsen an die materiellrechtlichen Folgen der Rechtshängigkeit und des erledigenden Ereignisses und nicht auf die verfahrensrechtlichen Wirkungen der Rechtshängigkeit abstellt. Zudem entspricht es auch dem Gesetzeszweck, dem Kläger den Zinsanspruch zuzugestehen, da er dem Fiskus sein Kapital zu Unrecht zu Verfügung stellen musste. Zum Sonderfall des § 236 Abs. 3 AO, s. Rz. 11.

 

Tz. 10

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

§ 236 Abs. 2 Nr. 2 AO berücksichtigt, dass der Verwaltungsakt, der die Zahlungspflicht auslöst, häufig nicht selbst Gegenstand des Gerichtsverfahrens ist, sondern nur Folgebescheid eines im Klagewege angefochtenen Grundlagenbescheids ist. Führt in solchen Fällen eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung hinsichtlich des Grundlagenbescheids oder ein unanfechtbarer Grundlagenbescheid, durch den sich der diesen betreffende Rechtsstreit erledigt hat (Abhilfebescheid), zur Herabsetzung der in einem Folgebescheid festgesetzten Steuer, so ist der Rückzahlungsbetrag ebenfalls zu verzinsen. Führt ein geänderter Gewinnfeststellungsbescheid zu Änderungen beim Verlustabzug (§ 10d EStG), der wiederum Erstattungen bei der Einkommensteuer auslöst, entsteht hinsichtlich der Erstattungsbeträge Zinspflicht (BFH v. 16.11.2000, XI R 31/00, BStBl II 2002, 119; BFH v. 29.09.2001, IV R 29/00, BStBl II 2002, 120). Entsprechendes gilt für Auswirkungen entsprechender Entscheidungen bzw. Maßnahmen hinsichtlich des Gewerbesteuermessbetrags auf die Gewerbesteuer (§ 35b GewStG).

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