Tz. 3

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Rechtswidrig ist ein Verwaltungsakt, wenn

  • entweder die von ihm getroffene, in seinem Tenor ausgesprochene Regelung mit Verfassungsrecht, nationalem oder gemeinschaftsrechtlich gesetztem Recht oder mit geltendem Gewohnheitsrecht bzw. allgemeinen Rechtsgrundsätzen (grds. nicht Verwaltungsvorschriften!) unvereinbar ist oder
  • der Verwaltungsakt, wenngleich mit geltendem materiellem Recht vereinbar, unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Zuständigkeit oder die Form zustande gekommen ist, es sei denn, der Fehler sei wegen Heilung nach § 126 AO unbeachtlich oder (bei gebundenen Verwaltungsakten) der Verwaltungsakt bedarf nach § 127 AO keiner Aufhebung (auch s. § 127 AO Rz. 7).

Hinzutreten muss, dass der objektiv rechtswidrige Verwaltungsakt den Kläger in seinen Rechten verletzt, also auch eine subjektive Rechtsverletzung vorliegt.

 

Tz. 4

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Ob ein gebundener Verwaltungsakt (s. § 118 AO Rz. 10) mit dem Gesetz (§ 4 AO) in Einklang steht, ist an seinem Ausspruch (Tenor) zu messen. Der Inhalt des Tenors ist ggf. durch Auslegung zu ermitteln. Die von der Finanzbehörde für ihre Entscheidung angegebenen Gründe sind regelmäßig insoweit unerheblich, können aber zur Auslegung des Tenors herangezogen werden. Der angefochtene Verwaltungsakt unterliegt danach – im Rahmen des Klagebegehrens (§ 65 Abs. 1 Satz 1 FGO, § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO) – einer in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht – uneingeschränkten Nachprüfung auf Rechtmäßigkeit. Es kommt darauf an, ob die Feststellung des dem Verwaltungsakt zugrunde liegenden Sachverhalts (einschließlich der Ergebnisse der Beweisaufnahme und deren Würdigung) wie er sich am Schlusse der mündlichen Verhandlung (bei abschließender Beratung im schriftlichen Verfahren) der Tatsacheninstanz darstellt und die Anwendung des (Steuer-)Rechts auf diesem Sachverhalt im Einklang mit den maßgebenden Vorschriften steht. Wegen des Amtsermittlungsgrundsatzes ist das Gericht berechtigt, im Rahmen der Rechtmäßigkeitsprüfung weitere, bei Erlass des angefochtenen Verwaltungsakts vorhandene Tatsachen zu berücksichtigen und auch eine andere rechtliche Begründung für den angefochtenen Verwaltungsakt zu geben, soweit er dadurch nicht in seinem Wesen verändert wird (BFH v. 11.07.1984, II R 87/82, BStBl II 1984, 840 m. w. N.). Insoweit ist auch der Finanzbehörde das Nachschieben von Gründen gestattet, allerdings nur mit der notwendigen Einschränkung, dass verfahrensrechtlich erhebliche Verstöße, z. B. gegen das Bestimmtheitsgebot (§ 119 Abs. 1, § 157 Abs. 1 AO) nicht durch nachträgliche "Aufklärung" seitens der Behörde etwa "geheilt" werden könnten. Die Nichtberücksichtigung von während des Verfahrens vorgebrachten Tatsachen oder Beweismitteln kann sich zudem aus Präklusionsregelungen ergeben (s. §§ 76 Abs. 3, 79b FGO). Eine Wesensänderung eines Verwaltungsaktes liegt vor, wenn bei Einzelsteuern der Lebenssachverhalt, der mit dem angefochtenen Verwaltungsakt der Steuer unterworfen wurde, ausgetauscht wird (s. BFH v. 06.04.1977, II R 87/75, BStBl II 1977, 616; BFH v. 07.06.1978, II R 97/77, BStBl II 1978, 568) oder z. B. die einem Arrest zugrunde liegende (notwendig bestimmte) Forderung ausgetauscht wird (BFH v. 10.03.1983, V R 143/76, BStBl II 1983, 401).

 

Tz. 5

Stand: 22. Auflage – ET: 10/2018

Bei Ermessensverwaltungsakten kommt ein Nachschieben von Gründen grds. nicht in Betracht, allerdings können die Ermessenserwägungen noch bis Abschluss der Tatsacheninstanz ergänzt werden (s. § 102 FGO). Das FG darf den dem Verwaltungsakt zugrunde liegenden Sachverhalt nicht ergänzen, insbes. nicht seine Ermessenserwägungen an die Stelle der behördlichen setzen (s. BFH v. 24.11.1987, VII R 138/84, BStBl II 1988, 364; BFH v. 16.09.1992, X R 169/90, BFH/NV 1993, 510).

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