Entscheidungsstichwort (Thema)
Erlaß von Säumniszuschlägen, Verschulden und Mitwirkungspflichten des inhaftierten Geschäftsführers
Leitsatz (redaktionell)
1) Ein Erlassanspruch des Hauptschuldners hinsichtlich der Säumniszuschläge steht aufgrund der Akzessorietät der Haftungsschuld auch dem Haftungsschuldner zu.
2) Einen GmbH-Geschäftsführer trifft ein grob fahrlässiges Verschulden an der Nichtbegleichung offener Steuerschulden, wenn er für den Fall seiner plötzlichen Verhinderung (hier: Inhaftierung) keine Vorsorge dafür getroffen hat, dass die GmbH handlungsfähig bleibt. Ist die Bestellung eines Vertreters in diesem Fall nicht möglich, muss der Geschäftsführer notfalls sein Amt niederlegen.
3) Zu den Mitwirkungspflichten des Haftungsschuldners.
Normenkette
AO §§ 35, 69, 191 Abs. 1, 5 Nr. 2, § 240 Abs. 1, § 34
Tatbestand
Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Haftungsbescheids.
Der Kläger (Kl.) befindet sich nach den Angaben seines Bevollmächtigten zum heutigen Zeitpunkt im geschlossenen Vollzug der Justizvollzugsanstalt C.. Er verbüßt eine mehrjährige Freiheitsstrafe u. a. wegen Betruges. Seit dem 11.04.2007 ist er inhaftiert.
Er war früher allein vertretungsberechtigter Geschäftsführer einer Firma … GmbH (GmbH) mit Sitz in D., eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts D. unter HR B Nr. …. Diese GmbH hatte ausweislich einer Erhebungsauskunft am 22.08.2007 folgende Steuerschulden:
Steuerart |
Zeitraum |
Fälligkeit |
Betrag EUR |
Säumniszuschlag EUR |
Datum Bescheid |
Körperschaftsteuer (KSt) |
2005 |
11.06.07 |
1.635,00 |
48,00 |
08.05.2007 |
Verspätungszuschlag KSt |
2005 |
11.06.07 |
100,00 |
|
08.05.2007 |
Solidaritätszuschlag (KSt) |
2005 |
11.06.07 |
89,92 |
1,50 |
08.05.2007 |
Umsatzsteuer (USt) |
2005 |
11.06.07 |
910,47 |
27,00 |
08.05.2007 |
Verspätungszuschlag USt |
2005 |
11.06.07 |
110,00 |
|
08.05.2007 |
Ust |
Sep/2006 |
14.12.06 |
910,78 |
135,00 |
|
Ust |
Okt/2006 |
14.12.06 |
1.708,29 |
153,00 |
|
Ust |
Okt/2006 |
28.12.06 |
3.624,00 |
288,00 |
|
Verspätungszuschlag USt |
Okt/2006 |
28.12.06 |
360,00 |
|
|
Ust |
Nov/2006 |
09.02.07 |
817,31 |
56,00 |
|
Verspätungszuschlag USt |
Nov/2006 |
09.02.07 |
80,00 |
|
|
Ust |
Dez/2006 |
09.02.07 |
3.366,01 |
234,50 |
|
Verspätungszuschlag USt |
Dez/2006 |
09.02.07 |
330,00 |
|
|
Ust |
Jan/2007 |
25.05.07 |
3.232,00 |
96,00 |
|
Verspätungszuschlag USt |
Jan/2007 |
25.05.07 |
320,00 |
|
|
USt |
Feb/2007 |
25.05.07 |
3.441,00 |
102,00 |
|
Verspätungszuschlag USt |
Feb/2007 |
25.05.07 |
340,00 |
|
|
USt |
März/2007 |
25.06.07 |
3.650,00 |
73,00 |
|
Verspätungszuschlag USt |
März/2007 |
25.06.07 |
360,00 |
|
|
USt |
Apr/2007 |
26.07.07 |
3.137,00 |
31,00 |
|
Verspätungszuschlag USt |
Apr/2007 |
26.07.07 |
310,00 |
|
|
USt |
2007 |
12.02.07 |
3.068,00 |
213,50 |
|
Gesamtsumme |
|
|
31.899,78 |
1.458,50 |
|
Gesamtsumme |
|
|
33.358,28 |
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|
Ein am 08.08.2008 gestellter Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH ist durch Beschluss des Amtsgerichts D. vom 09.01.2009 mangels Masse abgelehnt worden.
Mit Bescheid vom 24.08.2007 nahm das Finanzamt (FA) den Kl. als Geschäftsführer der GmbH für die vorbezeichneten Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis in der genannten Höhe unter Berufung auf die §§ 69, 34, 35 Abgabenordnung (AO) in Haftung. Zur Begründung verwies es darauf, dass der Kl. seine ihn als Geschäftsführer treffende Pflicht, die Steuern fristgerecht zu erklären und aus den von ihm verwalteten Mitteln fristgerecht zu entrichten, grobfahrlässig verletzt habe. Trotz Aufforderung habe er bei der Ermittlung der Haftungsquote nicht mitgewirkt. Die Frage, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe er die anderen Gläubiger gegenüber dem FA vorrangig befriedigt habe, sei unbeantwortet geblieben. Deshalb gehe das FA davon aus, dass im Haftungszeitraum ausreichend finanzielle Mittel zur Tilgung der Steuerschulden zur Verfügung gestanden hätten.
Hiergegen legte der Kl. Einspruch ein. Er machte geltend, dass er an der Aufklärung des Sachverhalts nicht habe mitwirken können, weil er sich ab April 2007 in Untersuchungshaft und danach in Strafhaft befunden habe.
Der Einspruch hatte insofern Erfolg, als das FA den Haftungsbetrag auf 27.907,74 EUR ermäßigte. Die Minderung beruhte darauf, dass sich die Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis durch Umbuchungen und Aufhebung von Festsetzungen vermindert hatten (USt für September 2006: 910,78 EUR, USt für Oktober 2006: 1.228,26 EUR, USt 2007: 3.068 EUR sowie Säumniszuschlag zur USt 2007: 213,50 EUR). Im Übrigen wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück. Es verwies darauf, dass der Kl. als allein vertretungsberechtigter Geschäftsführer der GmbH deren gesetzlicher Vertreter im Sinne des § 35 Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) gewesen sei und demnach gemäß § 34 Abs. 1 AO dazu verpflichtet gewesen sei, die steuerlichen Verpflichtungen der GmbH zu erfüllen. Hierzu habe insbesondere gehört, dafür zu sorgen, dass die Steuern aus den Mitteln entrichtet würden, die er verwalte.
Außerdem sei er verpflichtet gewesen, bei der Ermittlung des haftungsbegründenden Sachverhalts mitzuwirken und Auskünfte in Bezug auf die für die Ermittlung der Haftungsquote erforderlichen Beträge bei den Verbindlichkeiten und Zahlungsmitteln zu erteilen. Schließlich habe er die Steuererklä...