rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Offenbare Unrichtigkeit kann auch den Tenor einer Einspruchsentscheidung betreffen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Vertauscht das FA im Tenor der Einspruchsentscheidung erkennbar den Veranlagungszeitraum, so führt dies nicht zur Nichtigkeit der Einspruchsentscheidung.

2. Das Rechtsschutzbedürfnis entfällt, wenn der geltend gemachte Fehler prozessual überholt ist.

3. Nach Rücknahme der Klage ist eine neuerliche Anfechtungsklage ausgeschlossen.

 

Normenkette

FGO § 72 Abs. 2, § 40 Abs. 2; AO § 129

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

 

Tatbestand

I.

1. Gegenüber dem Kläger erging für das Jahr 2004 am 20.01.2006 ein Einkommensteuer(ESt-) Schätzungsbescheid, in dem die Einkünfte aus Gewerbebetrieb mit 20.000 EUR geschätzt waren. Den enthaltenen Vorbehalt der Nachprüfung hob der Beklagte – das Finanzamt (FA) – mit Bescheid vom 20.12.2007 auf. Über den Einspruch des Klägers entschied das FA mit Einspruchsentscheidung (EE) vom 11.08.2008. Der Tenor dieser Entscheidung lautete wie folgt (Hervorhebungen durch das Gericht):

„Über die Einsprüche vom 23.01.2008 des (Klägers) vertreten durch (Bevollmächtigter) gegen den Einkommensteuerbescheid 2004 vom 20.12.2007 (…) entscheidet das Finanzamt:

1. Der Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 2005 wird als unbegründet zurückgewiesen. (…)”

Im sonstigen Text spricht die EE stets vom Bescheid für 2004.

Gegen die ESt-Festsetzung für 2005 erhob der Kläger Anfechtungsklage zu Finanzgericht München (FG). Dieses wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 04.02.2010 wegen fehlender Gegenstandsbezeichnung als unzulässig ab.

Der Kläger beantragte mündliche Verhandlung und führte in diesem Antrag (Schriftsatz vom 10.03.2010) sinngemäß aus, die EE sei wegen der Widersprüchlichkeit der im Tenor genannten Jahreszahlen nichtig. Er beantrage, die Nichtigkeit der EE festzustellen.

Das Gericht raumte eine mündliche Verhandlung am 10.05.2010 an. Ausweislich des Protokolls erörterte das Gericht die Rechtslage mit den Beteiligten. Den Feststellungsantrag wertete das Gericht dabei als Antrag auf Klageänderung. Nach weiterer Erörterung nahm der Kläger den Anfechtungsantrag zurück. Hinsichtlich der Nichtigkeit der EE blieb er jedoch bei seiner Auffassung. Das Gericht stellte dem Kläger anheim, eine Berichtigung der EE außergerichtlich zu erwirken. In der Akte des FA findet sich auch ein Schreiben, in dem das FA das Rubrum der EE berichtigt. Ob dieses allerdings dem Kläger übersandt worden ist, ist aus der Akte nicht ersichtlich; auf dem Schreiben findet sich der handschriftliche Vermerk „nicht ausgehändigt”.

Mit Frühleerung am 2. Januar 2012 ging beim FA eine ESt-Erklärung für 2004 ein. Das FA lehnte die Veranlagung mit einem mit Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Schreiben vom 13.02.2012 ab, weil es den ESt-Bescheid für bestandskräftig erachtete. Hierauf berief sich der Kläger im Schreiben vom 27.06.2012 erneut auf die Nichtigkeit der EE. Das FA behandelte dieses Schreiben als Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit gem. § 125 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) und lehnte diesen Antrag mit Schreiben vom 04.07.2012 ab. Über den Einspruch des Klägers vom 11.07.2012 entschied das FA mit EE vom 19.11.2012, mit der es den Einspruch als unbegründet zurückwies.

Der Kläger erhob mit Schriftsatz vom 23.12.2012 Klage „gegen den Einkommensteuerbescheid für 2004 vom 20.12.2007; hilfsweise auch in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19.11.2012”.

Das Gericht hat am 04.07.2013 einen Gerichtsbescheid erlassen, wogegen der Kläger Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt hat.

Der Kläger beantragt,

das Finanzamt zu verpflichten, die Einspruchsentscheidung vom 11.08.2008 nach § 129 AO hinsichtlich des Tenors und der Besteuerungsgrundlagen dahingehend zu ändern, dass die in der am 02.01.2012 (Frühleerung) beim Finanzamt eingegangenen Einkommensteuererklärung für 2004 angegebenen Beträge der geänderten Einspruchsentscheidung zugrunde gelegt werden;

hilfsweise die Feststellung der Nichtigkeit der Einspruchsentscheidung vom 11.08.2008; hilfsweise für den Fall der Klageabweisung Zulassung der Revision.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung am 14.11.2013 wird verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

II.

1. Das Gericht gewährt Wiedereinsetzung in die Rechtsmittelfrist gegen den Gerichtsbescheid.

2. Das Begehren des Klägers ist darauf gerichtet, durch Feststellung der Nichtigkeit bzw. Kassation der EE vom 11.08.2008 das Einspruchsverfahren gegen den ESt-Bescheid für 2004 vom 20.12.2007 wieder zu eröffnen und eine Steuerfestsetzung lt. nachgereichter Erklärung zu erreichen.

Für diesen Antrag fehlt dem Kläger das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Auch ist die EE aufgrund des Schreibfehlers – Ausweis des falschen Jahres im Tenor der Entscheidung – nicht nichtig.

Die Klage kann daher keinen Erfolg haben.

a. Das Klagebegehren lässt sich nicht als zulässige Anfechtungsklage gegen den ESt- Bescheid vom 20.12.2007 begreifen. Denn eine ...

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