Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftungsbescheid gegen Rechtsanwalt als Nachtragsliquidator
Leitsatz (amtlich)
Ist bei einer bereits gelöschten GmbH ein Grundstück als letzter Vermögensgegenstand zu veräußern und hierfür ein Rechtsanwalt zum Nachtragsliquidator bestellt, so ist grundsätzlich nicht davon auszugehen, dass er in Ausübung seines Berufs als Rechtsanwalt tätig wird und im Fall des Erlasses eines steuerlichen Haftungsbescheids seine Rechtsanwaltskammer zu beteiligen ist.
Normenkette
AO §§ 34, 69, 191
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über einen Haftungsbescheid, mit dem der Kläger, der zugelassener Rechtsanwalt ist, als Nachtragsliquidator gemäß §§ 34, 69 Abgabenordnung (AO) für Steuerschulden der von ihm im Nachtragsverfahren liquidierten "A GmbH" (im Folgenden: GmbH) in Anspruch genommen wird.
I. Die GmbH, deren Alleingesellschafter Herr B (im Folgenden: Gesellschafter) gewesen war, ist am 03. Juni 1997 im Handelsregister wegen (angeblicher) Vermögenslosigkeit gelöscht worden. Die GmbH hatte bei dem seinerzeit zuständigen Finanzamt für Körperschaften Hamburg-1 für 1990 zum letzten Mal eine Bilanz und Steuererklärungen eingereicht mit einem Verlust in Höhe von DM 11.504,-, den das zuständige Finanzamt sodann erklärungsgemäß berücksichtigte. Für die Folgejahre bis einschließlich 1995 nahm das Finanzamt für Körperschaften Hamburg-1 Schätzungen vor. Für 1993 wurde ein vortragsfähiger Verlust von rund DM 26.000 festgestellt und in den Jahren 1994 und 1995 in Höhe des jeweils auf rund DM 6.000 geschätzten Gewinns abgezogen. Für die Jahre 1996 und 1997 wurden keine Veranlagungen durchgeführt.
II. Wegen noch vorhandenen Immobilienvermögens, nämlich eines im Jahr 1985 durch die GmbH erworbenen Grundstücks (belegen in der X-Str. in Hamburg-2) wurde der Kläger auf Antrag des Gesellschafters mit Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 5. Oktober 1998 zum Nachtragsliquidator bestellt. Die GmbH veräußerte das Grundstück mit Vertrag vom 23. Dezember 1998 an die "C GmbH", deren Gesellschafter-Geschäftsführer der Kläger ist. Der Kaufpreis betrug DM 1.000.000 und war bis zum 31. März 1999 nach Ablösung der im Grundbuch zu löschenden Rechte zu zahlen, die - laut Kaufvertrag - nominell 630.000 DM zugunsten der Bank 1 betrugen. Für die Ablösung der Grundschuld ist sodann gemäß einer Abrechnung der Bank 1 vom 04. Juni 1999 ein Betrag von DM 548.779 aufgebracht worden (vorgelegt vom Kläger im Erörterungstermin des finanzgerichtlichen Verfahrens der GmbH, Finanzgericht Hamburg II 265/05).
III. Mit Schreiben vom 23. Dezember 1998 teilte der Kläger dem inzwischen zuständig gewordenen Beklagten mit, dass der Geschäftsbetrieb der GmbH endgültig eingestellt worden sei und die vorhandenen Vermögenswerte nicht ganz zur vollständigen Tilgung aller Verbindlichkeiten ausreichen würden. Am 22. März 1999 schrieb der Beklagte den Kläger an und erbat eine Kopie des Kaufvertrags und eine Mitteilung, wann mit den Steuererklärungen zu rechnen sei. Der Kläger kehrte den Erlös aus der Grundstücksveräußerung zum 22. April 1999 an den Gesellschafter aus. Im Gegenzug erhielt er von diesem eine schriftliche Erklärung (Anlage K 4), in der dieser versicherte, die GmbH habe keine Gläubiger und insbesondere keine Steuerschulden. Zugleich verpflichtete er sich, etwaige Verbindlichkeiten der GmbH unverzüglich und auf erstes Anfordern auszugleichen sowie den Kläger von jeder Inanspruchnahme frei zu halten und ihm etwaige Aufwendungen unverzüglich zu ersetzen. Ferner genehmigte der Gesellschafter alle bis dahin erfolgten Maßnahmen des Klägers einschließlich der Auszahlung des restlichen Verkaufserlöses. Auf die Erinnerung des Beklagten vom 23. April 1999 legte der Kläger mit Schreiben vom 29. April 1999 die angeforderte Kopie des Kaufvertrags vor und kündigte an, dass die Fertigung der Steuererklärung wegen Unübersichtlichkeit der Unterlagen noch geraume Zeit dauern werde.
IV. Nachdem der Kläger trotz mehrfacher Aufforderungen für das Jahr 1998 keine Steuererklärungen eingereicht hatte, erließ der Beklagte unter dem 06. November 2002 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung Schätzbescheide für die GmbH und die Körperschaftsteuer in Höhe von DM 83.571 für ein zu versteuerndes Einkommen von DM 185.715,- fest. Unter Zugrundelegung der Werte aus der Bilanz der GmbH für 1990 schätzte der Beklagte einen Veräußerungsgewinn von DM 200.000 sowie einen vortragsfähigen Verlust auf den 31. Dezember 1997 von DM 14.285. Die durch den Kläger vertretene GmbH legte gegen die Schätzbescheide Einsprüche ein. Während des Einspruchsverfahrens reichte der Kläger für die GmbH Jahresabschlüsse, Gewinn- und Verlustrechnungen und Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuererklärungen für die Jahre 1996 bis 1998 ein, in denen jeweils Verluste zwischen DM 75.000 und DM 85.000 erklärt wurden. Nachdem der Beklagte den Kläger zunächst fruchtlos darauf hingewiesen hatte, dass er die Grundstücksveräußerung in 1998 unberücksichtigt gelassen habe, wies er die Einsprüche zurück. Die hiergegen durch den...