Entscheidungsstichwort (Thema)

Bekanntgabe einer Einspruchsentscheidung durch einfachen Brief

 

Leitsatz (amtlich)

1. Voraussetzungen für eine isolierte Anfechtungsklage

2. Eine Anfechtungsklage ist auch bei unwirksamen Verwaltungsakten zulässig.

3. Nachweis der Bekanntgabe, wenn der Verwaltungsakt mit einfachem Brief zur Post aufgegeben wurde.

 

Normenkette

AO § 122; FGO § 100

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage die Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 30.10.2001, weil diese ihr ihres Erachtens nicht wirksam bekannt gegeben worden ist.

Durch Bescheid vom 01.02.2001 setzte die Beklagte das Kindergeld für die Klägerin auf 0 DM fest und forderte einen Betrag von 5.400 DM für die Zeit vom Januar 2000 bis Juli 2000 und von November 2000 bis Januar 2001 zurück, da die Klägerin ihren Wohnsitz nach Spanien verlagert habe.

Gegen diesen Bescheid wandte sich die Klägerin mit Schreiben vom 11.02.2001, zugegangen am 14.02.2001. Zur Begründung trug sie vor, sie habe ihren Hauptwohnsitz in Deutschland beibehalten. Durch Schreiben vom 11.07.2001 teilte sie mit, sie sei mit ihren beiden Kindern am 24.08.2000 bei einem Bekannten in der X-Straße in Hamburg eingezogen. In diesem Zusammenhang legte sie eine Meldebestätigung der Stadt Hamburg vom 24.08.2000 vor.

Die Klägerin wurde u.a. durch Schreiben der Beklagten vom 23.04.2001 und 07.08.2001 um Übersendung von Unterlagen gebeten, die ihren Vortrag substantiieren sollten. Insbesondere wurde um Vorlage des Mietvertrages für die Wohnung X-Straße gebeten. Darüber hinaus sollte sie den beigefügten Vordruck E 411 über eventuell in Spanien zustehende Familienleistungen von der zuständigen Behörde in Spanien ausfüllen lassen.

Durch Änderungsbescheid vom 25.10.2001 wurden ebenfalls die Festsetzung des Kindergeldes ab August 2000 bis Oktober 2000 aufgehoben und die hierfür gezahlten Beträge zurückgefordert.

Am 30.10.2001 gab die Beklagte eine Einspruchsentscheidung zur Post, durch die der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen wurde. Zur Begründung trug die Beklagte insbesondere vor, dass die Klägerin keinen Wohnsitz im Sinne von § 8 AO in Deutschland gehabt habe.

Durch Schreiben vom 19.08.2003, eingegangen bei der Beklagten am 27.08.2003, teilte die Klägerin mit, dass sie seit Mitte 2001 ständig in Spanien wohne. Sie habe nur noch das Schreiben vom 25.10.2001 erhalten, wogegen sie auch Widerspruch eingelegt habe. Ein Widerspruch der Klägerin befindet sich nicht in der Kindergeldakte.

Sie habe sich wegen privater Probleme nicht weiter um diese Angelegenheit gekümmert und sei erst jetzt durch die bei ihr durchgeführte Kontopfändung wieder auf die Kindergeldsache aufmerksam geworden.

Durch Schreiben vom 10.09.2003 teilte die Beklagte mit, dass am 30.10.2001 eine Einspruchsentscheidung ordnungsgemäß an die der Beklagten bekannte Anschrift "... (Frau A), c/o ... (B), X-Straße, ... Hamburg" versandt worden sei. Dieses Schreiben sei nicht zurückgekommen, so dass von einer rechtswirksamen Zustellung auszugehen sei. Außerdem enthielt dieses Schreiben folgende weitere Ausführung: "Wir senden Ihnen eine Kopie der Einspruchsentscheidung anliegend zu, ohne dass wir unsere obigen Ausführungen zur Wirksamkeit der Zustellung damit in Frage stellen."

Durch Schreiben vom 30.09.2003, eingegangen beim Gericht am 17.10.2003, hat die Klägerin gegen die Einspruchsentscheidung vom 30.10.2001 Klage erhoben. Sie habe seit dem Änderungsbescheid vom 25.10.2001 nichts mehr von der Beklagten gehört und sei daher davon ausgegangen, dass alles geregelt worden sei. Ihr damaliger Ehemann habe sich bis August 2001 in Deutschland aufgehalten und habe ihr versprochen, sich um die Kindergeldangelegenheit zu kümmern. Sie habe das Zimmer in der X-Straße nur bis September 2001 gemietet und habe ihren Mann gebeten, dieses der Beklagten mitzuteilen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Einspruchsentscheidung vom 30.10.2001 aufzuheben. Hilfsweise beantragt sie, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bezüglich der Klagefrist zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Anfechtungsklage sei wegen Nichteinhaltung der Klagefrist unzulässig. Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand lägen nicht vor, da familieninterne Differenzen keinen Wiedereinsetzungsgrund darstellen würden. Die Klage sei zudem auch unbegründet, da die Beibehaltung des Wohnsitzes in Deutschland nicht nachgewiesen worden sei.

Dem Senat hat die Kindergeldakte zu der Kindergeldnummer ... vorgelegen.

 

Entscheidungsgründe

Die Entscheidung ergeht gem. § 90a Finanzgerichtsordnung (FGO) durch Gerichtsbescheid.

I. Die zulässige Klage ist begründet.

1. Die Klage wird als isolierte Anfechtungsklage gegen die Einspruchsentscheidung vom 30.10.2001 ausgelegt.

Grundsätzlich ist eine Klage dahingehend auszulegen, dass sowohl die Aufhebung der Einspruchsentscheidung als auch der zugrunde liegenden Bescheide verlangt wird. Gegenstand der Anfechtungsklage ist demzufolge der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch die Entscheidung über den a...

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