Leitsatz

Einer Holdinggesellschaft ist der Vorsteuerabzug für Eingangsleistungen zu versagen, die

  • nicht in einem direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit von der Holding erbrachten steuerpflichtigen Dienstleistungen, sondern mit von ihr als Gesellschafterbeitrag geschuldeten unentgeltlichen Dienstleistungen stehen,
  • nicht in direktem und unmittelbarem Zusammenhang mit den eigenen Umsätzen der Holding, sondern mit den Umsätzen Dritter (der Tochtergesellschaften) stehen,
  • in den Preis der an die Tochtergesellschaften erbrachten steuerpflichtigen Umsätze keinen Eingang finden und
  • nicht zu den allgemeinen Kostenelementen der eigenen wirtschaftlichen Tätigkeit der Holding gehören.
 

Normenkette

§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 UStG, Art. 168 Buchst. a EGRL 112/2006 (= MwStSystRL)

 

Sachverhalt

Die Klägerin, eine GmbH, war an zwei Gesellschaften (X und Y) beteiligt. Beide Gesellschaften errichteten Wohngebäude und veräußerten die errichteten Wohnungen überwiegend umsatzsteuerfrei.

Mit Ergänzungsvereinbarung zum Gesellschaftsvertrag der X wurde am 31.1.2013 vereinbart, dass der andere Gesellschafter der X ein Aufgeld i.H.v. 600.000 EUR als Gesellschafterbeitrag zu leisten und die Klägerin unentgeltliche Dienstleistungen (z.B. Architekten-, Statik-, Planungs-, Erschließungs- und Generalunternehmer-Leistungen) i.H.v. mindestens 9,4 Millionen EUR an X zu erbringen habe. Diese Leistungen erbrachte die Klägerin teilweise mit eigenem Personal und eigenen Geräten, teilweise mithilfe von Subunternehmern.

Am gleichen Tag vereinbarten die Klägerin und X, dass die Klägerin im Zusammenhang mit den ­Bauprojekten entgeltliche Buchführungs- und ­Geschäftsführungsleistungen an X erbringt. Ausdrücklich ausgenommen von den vereinbarten Geschäftsführungsleistungen waren jene Leistungen, die die Klägerin als Gesellschafterbeitrag zu leisten hatte.

Am 10.4.2013 wurde vereinbart, dass die andere Gesellschafterin der Y ein Aufgeld i.H.v. 3,5 Millionen EUR zu leisten und die Klägerin unentgeltliche Dienstleistungen (gleicher Art wie für die X) an Y zu erbringen habe (Bruttogesamtverkehrswert 30,29 Millionen EUR). Auch diese Leistungen erbrachte die Klägerin teilweise mit eigenem Personal und eigenen Geräten, teilweise mithilfe von Subunternehmen.

Ebenfalls am 10.4.2013 vereinbarten die Klägerin und Y, dass die Klägerin entgeltliche Buchführungs- und Geschäftsführungsleistungen (gleicher Art wie für die X KG) an Y erbringt.

Die Klägerin zog die Vorsteuer für Eingangsleistungen, die sie für die Gesellschafterbeiträge an X und Y verwendete, voll ab. Das FA versagte nach einer USt-Sonderprüfung insoweit den Vorsteuerabzug, als die unentgeltlichen Gesellschafterbeiträge der Klägerin an X und Y nichtsteuerbare Tätigkeiten seien, sodass die darauf entfallende Vorsteuer nicht abziehbar sei.

Die Vorinstanz (Niedersächsisches FG, Urteil vom 19.4.2018, 5 K 285/16, Haufe-Index 12993539, EFG 2019, 653) gab der Klage statt. Der BFH rief den EuGH an (BFH, Beschluss vom 23.9.2020, XI R 22/18, BFH/PR 2021, 194).

 

Entscheidung

Nach der Antwort des EuGH hob der BFH die Vorentscheidung auf und wies die Klage ab. Die Klägerin hat nach Auffassung des BFH die Eingangsleistungen nicht für ihr Unternehmen, sondern für die Unternehmen der Tochtergesellschaften bezogen.

 

Hinweis

Mit dem Schlussurteil zum EuGH-Urteil Finanzamt R vom 8.9.2022, C-98/21 (BFH/NV 2022, 1279) hat der BFH entschieden, dass der Vorsteuerabzug unter den im Leitsatz genannten Voraussetzungen zu versagen ist. Der BFH lehnt sich dabei eng an das Urteil des EuGH an.

1. Der BFH bestätigt zunächst die Unternehmereigenschaft der Klägerin als geschäftsleitende Holding. Das Vorliegen einer gemischten Holding, die neben einem wirtschaftlichen Bereich auch einen nichtwirtschaftlichen Bereich "Halten von Beteiligungen, in deren laufende Verwaltung nicht eingegriffen wird" hat, lehnt er ab.

2. Trotzdem versagt der BFH den Vorsteuerabzug, weil die Eingangsleistungen weder in einem direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit steuerpflichtigen Ausgangsumsätzen der Klägerin stehen noch als Kostenelemente zu den allgemeinen Aufwendungen der Klägerin für die von ihr erbrachten Dienstleistungen gehören. Sie stehen nach Auffassung des BFH in direktem und unmittelbarem Zusammenhang mit den (überwiegend steuerfreien) Umsätzen der Tochtergesellschaften. Ausga­ben, die nicht mit den besteuerten Umsätzen des Steuerpflichtigen, sondern mit Umsätzen eines Dritten zusammenhängen (Leistungsbezug zugunsten Dritter), begründen für den Steuerpflichtigen kein Recht auf Vorsteuerabzug (vgl. bereits EuGH, Urteil Vos Aannemingen vom 1.10.2020, C-405/19, Rz. 38, Haufe-Index 14174276), und zwar unabhängig davon, ob die Umsätze des Dritten steuerfrei sind oder nicht.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 15.2.2023 – XI R 24/22 (XI R 22/18)

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