Leitsatz

1. Zukunftssicherungsleistungen, die ein inländischer Arbeitgeber für einen unbeschränkt steuerpflichtigen schwedischen Arbeitnehmer auf vertraglicher Grundlage an niederländische und schwedische Versicherungsunternehmen entrichtet, sind Arbeitslohn, der nicht nach § 3 Nr. 62 S. 1 EStG von der Steuer befreit ist.

2. Der Umstand, dass § 3 Nr. 62 EStG Zukunftssicherungsleistungen des Arbeitgebers nur steuerfrei stellt, wenn diese aufgrund einer materiell gesetzlichen Verpflichtung geleistet werden, verstößt nicht gegen EU-Recht. Insoweit liegt weder eine Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit i.S.d. Art. 39 EG noch der Niederlassungsfreiheit i.S.d. Art. 43 EG oder der Dienstleistungsfreiheit i.S.d. Art. 49 EG vor.

 

Normenkette

§ 3 Nr. 62 EStG, Art. 39, Art. 43, Art. 49 EG

 

Sachverhalt

Die Klägerin – eine Tochtergesellschaft einer inländischen Holdinggesellschaft eines schwedischen Konzerns – beschäftigte u.a. auch ausländische Mitarbeiter der schwedischen Konzernmutter (sog. Expatriates). Sie leistete für ihre sozialversicherungspflichtig beschäftigten Expatriates neben Arbeitgeberanteilen an die deutsche Sozialversicherung als auch Zahlungen an die britische zur Organisation der Angelegenheiten der international tätigen Expatriates gegründete Q-Ltd. Die Q-Ltd. leistete u.a. Rentenbeiträge an Versicherungsunternehmen. Dadurch erlangten die begünstigten Arbeitnehmer unmittelbare Leistungsansprüche gegen die Versicherungsunternehmen. Den Zahlungen lagen Pensionspläne zugrunde, die auf Tarifvereinbarungen zwischen dem schwedischen Arbeitgeberverband und den schwedischen Gewerkschaften zurückgingen.

Das FA behandelte die von der Klägerin über die Q-Ltd. geleisteten und von ihr als steuerfrei behandelten Beiträge in die internationalen Vorsorgepläne der schwedischen Konzernmutter als steuerpflichtigen Arbeitslohn und erließ einen entsprechenden Haftungsbescheid. Die dagegen gerichtete Klage blieb erfolglos (FG Düsseldorf, Urteil vom 06.04.2006, 15 K 3630/04 H [L], Haufe-Index 1527162, EFG 2006, 1495).

 

Entscheidung

Der BFH bestätigte aus den in Praxishinweisen genannten Gründen die Entscheidung der Vorinstanz.

 

Hinweis

Im Besprechungsfall blieb der BFH bei der einfachrechtlichen Grundaussage, dass Zukunftssicherungsleistungen nur bei einer gesetzlichen Verpflichtung des Arbeitgebers dazu steuerfrei sind. Und diese Voraussetzung der Steuerfreiheit war auch aus europarechtlicher Perspektive trotz drohender Doppelbesteuerung unbedenklich.

1. Zukunftssicherungsleistungen sind nach § 3 Nr. 62 S. 1 EStG nur steuerfrei, soweit der Arbeitgeber dazu nach sozialversicherungsrechtlichen oder anderen gesetzlichen Vorschriften oder nach einer auf gesetzlicher Ermächtigung beruhenden Bestimmung verpflichtet ist; die Verpflichtung kann auf ausländischen Gesetzen beruhen (BFH, Urteile vom 13.09.2007, VI R 16/06, BFH/NV 2007, 2418, BFH/PR 2008, 16; vom 22.07.2008, VI R 56/05, BFH/NV 2008, 1744, BFH/PR 2008, 503). Solche gesetzliche Grundlagen fehlten hier. Es genügte nicht, dass die schwedische Konzernmutter dazu nach dem zwischen dem schwedischen Arbeitgeberverband und den schwedischen Gewerkschaften geschlossenen Tarifvertrag verpflichtet war.

2.§ 3 Nr. 62 EStG beeinträchtigt nicht die Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art. 39 EG). Dies weder direkt/unmittelbar (keine Differenzierung nach Nationalität des Arbeitgebers oder Arbeitnehmers oder danach, ob die Sozialversicherungsbeiträge auf inländischen oder ausländischen Gesetzen beruhen) noch indirekt/mittelbar. Denn § 3 Nr. 62 EStG enthält keine Anforderungen, die faktisch nur von inländischen Arbeitgebern oder inländischen Arbeitnehmern erfüllt werden könnten. Der BFH betont vielmehr, dass der Bedarf nach ergänzender Privatvorsorge angesichts demografischer Herausforderungen europaweit anerkannt sei, und zwar unabhängig davon, ob die Systeme der Mitgliedstaaten umlagefinanzierte, beitragsbezogene Renten oder steuer- oder beitragsfinanzierte Volks- und Grundrenten betrifft.

Eine drohende Doppelbesteuerung beeinträchtigt ebenfalls nicht die Arbeitnehmerfreizügigkeit, denn die mögliche Mehrbelastung eines nach Schweden zurückkehrenden Arbeitnehmers ist lediglich Folge einer fehlenden Harmonisierung der jeweiligen nationalen Steuersysteme. Die Mitgliedstaaten sind derzeit nicht verpflichtet, ihr eigenes Steuersystem den verschiedenen Steuersystemen der anderen Mitgliedstaaten anzupassen (z.B. EuGH, Urteil vom 12.02.2009, C-67/08, BFH/NV 2009, 677, Rz. 31; dazu auch BFH, Urteil vom 24.06.2009, X R 57/06, BFH/NV 2009, 1697, BFH/PR 2009, 457). Auch Anhaltspunkte dafür, dass die Niederlassungsfreiheit (Art. 43 EG) oder die Dienstleistungsfreiheit (Art. 49 EG) beeinträchtigt sein konnten, lagen nicht vor.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 28.05.2009 – VI R 27/06

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