Leitsatz

Dem beherrschenden Gesellschafter einer ausländischen Kapitalgesellschaft fließt ein Gewinnanteil gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG im Zeitpunkt des Gewinnausschüttungsbeschlusses zu, wenn die Gesellschaft zahlungsfähig ist und er nach Maßgabe des ausländischen Rechts zu diesem Zeitpunkt wirtschaftlich über den Gewinnanteil verfügen kann.

 

Normenkette

§ 11 Abs. 1 Satz 1, § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG, Art. 10 DBA-Kroatien, § 155 Satz 1 FGO, § 293 ZPO

 

Sachverhalt

Der im Inland wohnhafte und unbeschränkt steuerpflichtige Kläger war alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung kroatischen Rechts. Nach einer Außenprüfung gelangte das FA zu der Auffassung, dass dem Kläger in den Streitjahren aufgrund von Gesellschaftsbeschlüssen Gewinnausschüttungen i.H.v. 296.294 EUR (2007), 323.499 EUR (2008), 427.892 EUR (2009) und 326.538 EUR (2010) zugeflossen seien. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 23.7.2019, 8 K 1194/15, Haufe-Index 15397198, EFG 2020, 1513). Das FG war der Auffassung, dass dem Kläger die Dividenden zugeflossen seien, da die Ausschüttungen von der Gesellschaft beschlossen worden seien. Eine abweichende Vereinbarung über die Fälligkeit des Anspruchs auf Auszahlung der beschlossenen Gewinnausschüttung sei in der Satzung der Gesellschaft nicht enthalten gewesen. Dem vom FG eingeholten Sachverständigengutachten sei zu entnehmen, dass es im kroatischen Recht kein gesetzliches Auszahlungshindernis gegeben habe, das den Kläger daran hätte hindern können, den Fälligkeitszeitpunkt des Auszahlungsanspruchs nach seinem Ermessen zu bestimmen. Die kroatische Gesellschaft sei in allen Streitjahren zahlungsfähig gewesen.

 

Entscheidung

Die Revision des Klägers war begründet. Der BFH hat das FG-Urteil aufgehoben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen. Das FG ist rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass die Gewinnausschüttungen dem Kläger bereits in den Streitjahren zugeflossen sind. Die Sache war nicht spruchreif. Die Feststellungen des FG zum kroatischen Recht erlaubten dem Senat keine abschließende Beurteilung des Zuflusses.

 

Hinweis

1. Ob dem Kläger Gewinnanteile aus der kroatischen Gesellschaft zugeflossen sind, richtet sich auch bei einer ausländischen Kapitalgesellschaft nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass diese ihrer Struktur nach einer nach deutschem Recht errichteten Kapitalgesellschaft im Wesentlichen entspricht. Dies war bei der kroatischen Gesellschaft unstreitig der Fall.

2. Auch für den Zeitpunkt des Zuflusses der Ausschüttungen aus der kroatischen Kapitalgesellschaft ist das deutsche Einkommensteuerrecht maßgeblich. Bei beherrschenden Gesellschaftern wie dem Kläger ist der Zufluss einer Ausschüttung nach § 11 Abs. 1 EStG in der Regel bereits im Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Gewinnverwendung gegeben, weil der beherrschende Gesellschafter es regelmäßig in der Hand hat, sich die ihm von der Gesellschaft geschuldeten Beträge auszahlen zu lassen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Gewinnauszahlungsanspruch eindeutig, unbestritten und fällig ist und sich gegen eine zahlungsfähige Gesellschaft richtet. In diesem Fall ist die Ausschüttung auch nach Art. 10 DBA-Kroatien im Inland zu versteuern. Die Zuweisung des Besteuerungsrechts durch das Abkommen ist nicht abhängig von einem tatsächlichen Zahlungsvorgang.

3. Die Bejahung des Zuflusses trotz noch fehlender tatsächlicher Auszahlung der Gewinnanteile an den beherrschenden Gesellschafter ist jedoch nur gerechtfertigt, wenn und soweit keine rechtlichen oder tatsächlichen Hinderungsgründe bestehen, die eine wirtschaftliche Verfügungsmacht und Disposition über die Gewinnanteile vereiteln. In Betracht kommen insoweit nicht nur Hindernisse des Gesellschaftsrechts oder allgemeinen Zivilrechts, sondern auch Hindernisse insolvenzrechtlicher, steuerrechtlicher oder bilanzrechtlicher Art. Der Dispositionsmöglichkeit des Gesellschafters über die Auszahlung des Ausschüttungsbetrags können auch Gegebenheiten des ausländischen Rechts entgegenstehen, sodass kein Zufluss gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG vorliegt.

4. Danach hat das FG das ausländische Recht nicht nur hinsichtlich der Frage, ob eine Gewinnausschüttung beschlossen wurde, der Fälligkeit des Gewinnauszahlungsanspruchs und der Zahlungsfähigkeit der ausschüttenden Gesellschaft, sondern auch im Hinblick darauf festzustellen, ob es landesspezifische gesetzliche oder tatsächliche Besonderheiten gibt, die verhindern, dass der beherrschende Gesellschafter die wirtschaftliche Verfügungsmacht über den Ausschüttungsbetrag erlangt. Ungeachtet der erhöhten Mitwirkungspflicht der Beteiligten bei Auslandssachverhalten gehört es gemäß § 155 FGO i.V.m. § 293 ZPO zu den Aufgaben des FG als Tatsacheninstanz, das maßgebliche ausländische Recht von Amts wegen zu ermitteln.

5. Nach diesen Grundsätzen hat das FG im Streitfall zu Unrecht allein aus...

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