Leitsatz

1. Die Vorschriften für die Nacherhebung von Zoll im Sinne von Art. 105 Abs. 4 i.V.m. Abs. 3 des Unionszollkodex sind sinngemäß auf die Einfuhrumsatzsteuer anzuwenden.

2. Die Steuerbefreiung für eine innergemeinschaftliche Anschlusslieferung gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 3, § 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6a des Umsatzsteuergesetzes kann grundsätzlich nur dann in Anspruch genommen werden, wenn die Identität des Erwerbers im Erwerbsmitgliedstaat feststeht. Die Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Anschlusslieferung trägt derjenige, der sich auf die Steuerbefreiung beruft.

3. Eine als indirekte Vertreterin ohne Vertretungsmacht aufgetretene Person ist Schuldnerin der Einfuhrumsatzsteuer.

 

Normenkette

Art. 105 Abs. 4 UZK, § 5 Abs. 1 Nr. 3, § 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6a UStG, Art. 143 Abs. 1 Buchst. d, Art. 138, Art. 201 EGRL 112/2006 (= MwStSystRL)

 

Sachverhalt

Die Klägerin meldete als indirekte Vertreterin der B-GmbH Waren bei einem Zollamt unter Verwendung des Verfahrenscodes (VC) 42 zur Überlassung zum zollrechtlich freien Verkehr mit anschließender innergemeinschaftlicher steuerbefreiender Lieferung an. Das Hauptzollamt setzte die Einfuhrabgaben auf 0 EUR fest.

Kurz darauf teilte die Klägerin dem Hauptzollamt mit, dass die Ware nach deren Überlassung umdisponiert worden sei und ein anderer gewerblicher, namentlich nicht benannter Abnehmer diese erhalten habe. Daraufhin setzte das Hauptzollamt gegen die Klägerin Einfuhrumsatzsteuer fest, weil nach seiner Auffassung die Voraussetzungen einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung gemäß § 6a UStG nicht vorlägen. Die dagegen vor dem FG (FG Hamburg, Urteil vom 25.1.2021, 4 K 47/18, Haufe-Index 14325841) geführte Klage hatte keinen Erfolg.

 

Entscheidung

Der BFH wies die Revision der Klägerin gegen die Vorentscheidung als unbegründet zurück.

 

Hinweis

1. Die Rechtsgrundlage für die Nacherhebung von Einfuhrumsatzsteuer ist § 21 Abs. 2 UStG i.V.m. Art. 105 Abs. 4 i.V.m. Abs. 3 UZK in sinngemäßer Anwendung. Danach sind Einfuhrabgaben nachzuerheben, wenn der zu entrichtende Einfuhrabgabenbetrag nicht oder mit einem geringeren Betrag als dem zu entrichtenden Betrag festgesetzt und buchmäßig erfasst wurde.

2. Liegen die Voraussetzungen der Steuerbefreiung für eine innergemeinschaftliche Anschlusslieferung nach § 5 Abs. 1 Nr. 3, § 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6a UStG nicht vor, ist die Festsetzung von Einfuhrumsatzsteuer zu berichtigen.

a) Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 3 UStG ist die Einfuhr der Gegenstände steuerfrei, die von einem Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer im Anschluss an die Einfuhr unmittelbar zur Ausführung von innergemeinschaftlichen Lieferungen (§ 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6a UStG) verwendet werden. Die Voraussetzungen der innergemeinschaftlichen Lieferung müssen vom Unternehmer nachgewiesen werden, § 6a Abs. 3 Satz 1 UStG (vgl. BFH, Urteil vom 17.2.2011, V R 30/10, BFH/NV 2011, 1451, Rn. 18; BFH, Urteil vom 22.7.2015, V R 23/14, BFH/NV 2015, 1538, Rn. 40).

b) Daran fehlt es, wenn der Abnehmer der Waren nicht namentlich benannt ist. Hierdurch ist unklar, ob der Abnehmer der Waren tatsächlich ein Unternehmer i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG ist. Wird die Ware umdisponiert, muss der neue Abnehmer namentlich benannt werden.

c) Die Steuerbefreiung für die innergemeinschaftliche Anschlusslieferung kann daher nur dann in Anspruch genommen werden, wenn den zuständigen Behörden die Identität des neuen Erwerbers bekannt ist. Dies ergibt sich auch aus EuGH, Urteil vom 20.6.2018, C‐108/17, Enteco Baltic, Haufe-Index 11788978, EU:C: 2018:473, Rz. 58 und 61, in dem der EuGH ein Fortbestehen der Steuerbefreiung davon abhängig gemacht hat, dass der Importeur die zuständige Behörde immer ordnungsgemäß über Änderungen der Identität der Erwerber informiert und er den zuständigen Behörden des Einfuhrmitgliedstaats sämtliche Informationen über die Identität des neuen Erwerbers mitgeteilt hat.

3. Wer als indirekte Vertreterin (Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 Alternative 2 UZK) eine Zollanmeldung abgibt, wird Anmelderin (Art. 5 Nr. 15 UZK) und damit Schuldnerin der Einfuhrumsatzsteuer.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 21.11.2023 – VII R 10/21

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