Leitsatz

1. Der vor Eintritt des Erbfalls erklärte Erb- und/oder Pflichtteilsverzicht ist ein erbrechtlicher – bürgerlich-rechtlich wie steuerrechtlich unentgeltlicher – Vertrag, welcher der Regulierung der Vermögensnachfolge dienen soll und nicht der Einkommensteuer unterliegt (Bestätigung der Rechtsprechung).

2. Wird die Höhe der aus einem derartigen Vertrag zu zahlenden monatlichen Rente so ermittelt, dass die Beteiligten einen vom Erblasser vorgegebenen Basisbetrag zugrunde legen, der zunächst durch die statistische Lebenserwartung des Rentenberechtigten zum Zeitpunkt des Zahlungsbeginns und anschließend nochmals durch zwölf dividiert wird, so enthält die monatliche Zahlung keinen Zinsanteil.

 

Normenkette

§ 20 Abs. 1 Nr. 7, § 22 Nr. 1 Satz 3, § 22 Nr. 3 EStG 1997

 

Sachverhalt

Die Klägerin bezog monatliche Rentenzahlungen von ihrem Bruder aufgrund eines Übergabevertrags zwischen ihrem Vater und dessen beiden Kindern (der Klägerin und ihrem Bruder). Darin übertrug der Vater seinem Sohn in vorweggenommener Erbfolge ein Grundstück sowie einen Betrieb. Sowohl die Klägerin als auch ihr Bruder verzichteten auf ihr Pflichtteilsrecht am Nachlass. Der Bruder der Klägerin verpflichtete sich, an diese nach dem Tod des Vaters eine lebenslange Rente zu zahlen. Die Höhe der Rente berechnete sich aus der statistisch zu erwartenden Lebensdauer der Berechtigten nach der allgemeinen Sterbetafel und aus einem Basisbetrag von 800.000 DM. Eine Verzinsung war ausdrücklich ausgeschlossen.

Nachdem zwischen der Klägerin und dem FA Streit über den Umfang der Besteuerung der Rentenzahlungen entstanden war, erweiterte die Klägerin ihren Antrag während des Klageverfahrens dahingehend, dass in vollem Umfang von einer Besteuerung abzusehen sei.

Das FG gab der Klage insoweit statt, als es von einer Steuerbarkeit der Leistungen lediglich bezüglich des Ertragsanteils ausging; im Übrigen wies es die Klage ab (FG München, Urteil vom 15.7.2010, 15 K 1825/07, Haufe-Index 2377052, EFG 2010, 1787).

 

Entscheidung

Der BFH hob die Vorentscheidung auf und gab der Klage in vollem Umfang statt. Die Auffassung des FG, die Klägerin erhalte von ihrem Bruder eine mit dem Ertragsanteil steuerbare Leibrente, halte der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Eine Rechtsgrundlage für die Besteuerung eines etwaigen Zinsanteils ergebe sich weder aus § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG noch aus § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Satz 3 bzw. Nr. 3 EStG.

 

Hinweis

1. Wird Vermögen auf die nachfolgende Generation übertragen und gewährt der Übernehmer des Vermögens seinen Geschwistern deswegen wiederkehrende Leistungen, so besteht die widerlegbare Vermutung, dass die Geschwister nicht versorgt, sondern gleichgestellt werden sollen.

In einem solchen Fall sind die vereinnahmten Bezüge keine wiederkehrende Leistungen aus einer Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen und damit nicht gem. § 22 Nr. 1 Satz 1 EStG steuerbar.

2. Solche der Gleichstellung dienenden Zahlungen enthalten auch nicht notwendigerweise einen steuerbaren Zinsanteil.

a) Eine Zinspflicht gem. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG setzt die Überlassung von Kapital gegen Entgelt voraus, d.h. eine Vermögensmehrung, die bei wirtschaftlicher Betrachtung Entgelt für die Kapitalnutzung ist.

aa) Das ist grundsätzlich nicht der Fall, wenn vor Eintritt des Erbfalls ein Erb- und/oder Pflichtteilsverzicht erklärt wird, der als unentgeltlicher Vertrag der Regulierung der Vermögensnachfolge dienen soll.

Anders wäre die Rechtslage nur zu beurteilen, wenn der Erbfall bereits eingetreten ist und der Pflichtteilsberechtigte von seinem Geschwister unter Anrechnung auf den Pflichtteil wiederkehrende Leistungen erhält. In einem solchen Fall ist das Merkmal der Überlassung von Kapital zur Nutzung i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG jedenfalls dann erfüllt, wenn der Pflichtteilsberechtigte rechtlich befugt gewesen wäre, den niedrigeren Barwert im Rahmen des Pflichtteilsanspruchs geltend zu machen.

bb) Eine entgeltliche Kapitalüberlassung zur Nutzung liegt auch dann nicht vor, wenn sich der gleichzustellende Vertragsteil im Überlassungsvertrag zwar damit einverstanden erklärt hat, zur Gleichstellung mit seinem Geschwister keine Sofortzahlung, sondern eine monatlich im Voraus zu zahlende lebenslange Rente zu akzeptieren, sich die Höhe dieser Rente aber an dem Wert des auf den Gleichzustellenden entfallenden Erbteils orientiert sowie an seiner statistischen Lebenserwartung. Wenn die zur Gleichstellung zu entrichtende Rente so ermittelt wird, dass der Basisbetrag durch die statistische Lebenserwartung des Rentenberechtigten dividiert und der sich daraus ergebende Jahresbetrag durch zwölf geteilt wird, kann diese Rente keinen Zinsanteil enthalten.

Bei dieser Berechnungsweise der Rente erleidet der Gleichstellungsberechtigte – verglichen mit der sofortigen Auszahlung des Basisbetrags – einen Zinsnachteil; einen Zinsvorteil erhält demgegenüber der Rentenverpflichtete, der den Basisbetrag nicht sofort, sondern in monatlichen Raten und unverzinslich entrichten darf.

b) In derarti...

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