Leitsatz

Dem EuGH wird folgende Frage zur Auslegung der 6. EG-RL vorgelegt:

Sind Aufenthalte eines Schiffs in Häfen von Drittstaaten, bei denen die Reisenden das Schiff nur kurzfristig, z.B. zu Besichtigungen, verlassen können, aber keine Möglichkeit besteht, die Reise zu beginnen oder zu beenden, "Zwischenaufenthalte außerhalb der Gemeinschaft" i.S.d. Art. 8 Abs. 1 Buchst. c der 6. EG-RL?

 

Normenkette

§ 3e UStG , Art. 8 Abs. 1 Buchst. c der 6. EG-RL

 

Sachverhalt

Die Klägerin führte im Rahmen einer Boutique auf einem Kreuzfahrtschiff Lieferungen aus. Die meist ein- bis zweiwöchigen Kreuzfahrten konnten nur für die gesamte Kreuzfahrt gebucht werden; Teilstrecken mit Zu- oder Ausstiegsmöglichkeit wurden nicht angeboten. Soweit der Abgangsort des Schiffs in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) und der Ankunftsort im Gemeinschaftsgebiet lag, behandelte das FA die Umsätze gem. § 3e UStG als steuerbar (und steuerpflichtig). Die Klägerin meinte, die Verkäufe seien nicht steuerbar, weil bei den Reisen – wie bei einer Kreuzfahrt üblich – Zwischenaufenthalte im Drittland vorgelegen hätten.

Die Klage hatte keinen Erfolg. Das FG war – wie das FA – der Auffassung, als "Zwischenaufenthalte" i.S.d. § 3e Abs. 2 Satz 1 UStG seien aber nur Zu- und Aussteigehalte anzusehen.

 

Entscheidung

Der BFH setzte das Verfahren aus und legte dem EuGH die im Leitsatz genannte Frage zur Vorabentscheidung vor.

 

Hinweis

Eine Lieferung wird dort ausgeführt, wo sich der Gegenstand zur Zeit der Verschaffung der Verfügungsmacht befindet (§ 3 Abs. 6 UStG). Wird ein Gegenstand, der nicht zum Verzehr an Ort und Stelle bestimmt ist, an Bord eines Schiffs, in einem Luftfahrzeug oder in einer Eisenbahn während einer Beförderung innerhalb des Gemeinschaftsgebiets geliefert, so gilt der Abgangsort des jeweiligen Beförderungsmittels im Gemeinschaftsgebiet als Ort der Lieferung (§ 3e Abs. 1 UStG).

Als Beförderung innerhalb des Gemeinschaftsgebiets (Abs.1) gilt die Beförderung oder der Teil der Beförderung zwischen dem Abgangsort und dem Ankunftsort des Beförderungsmittels im Gemeinschaftsgebiet ohne Zwischenaufenthalt außerhalb des Gemeinschaftsgebiets. Abgangsort (Abs. 1) ist der erste Ort innerhalb des Gemeinschaftsgebiets, an dem Reisende in das Beförderungsmittel einsteigen können. Ankunftsort im Sinn des Satzes 1 ist der letzte Ort innerhalb des Gemeinschaftsgebiets, an dem Reisende das Beförderungsmittel verlassen können. Hin- und Rückfahrt gelten als gesonderte Beförderungen.

§ 3e UStG beruht auf dem im Wesentlichen gleich lautenden Art. 8 Abs. 1 Buchst. c der 6. EG-RL.

Fraglich ist, ob Aufenthalte eines Schiffs in Häfen von Drittstaaten, bei denen Reisende das Schiff nur kurzfristig verlassen können, Zwischenaufenthalte sind oder ob es sich um einen Haltepunkt handeln muss, an dem Reisende planmäßig zusteigen bzw. das Beförderungsmittel verlassen können.

Fallen die Aufenthalte in Drittstaaten nicht unter den Begriff des "Zwischenaufenthalts", so gilt als Ort der Lieferungen der Abgangsort im Inland. Liegen hingegen "Zwischenaufenthalte" vor, so ist Lieferort grundsätzlich der Ort, an dem sich der Gegenstand im Zeitpunkt der Verschaffung der Verfügungsmacht befindet. Gelangt das Schiff nach einem solchen Zwischenaufenthalt wiederum an einen Ort innerhalb des Gemeinschaftsgebiets, so stellt dieser einen neuen "Abgangsort" dar. Liegt er nicht im Inland, sind auf der mit dem neuen Abgangsort beginnenden Beförderungsstrecke ausgeführte Lieferungen nicht steuerbar. Liegt er im Inland, sind sie steuerbar.

Weil auch die 6. EG-RL den Begriff des Zwischenaufenthalts nicht definiert, es sich um einen gemeinschaftsrechtlichen Begriff handelt und sich die Frage weder aus dem systematischen Zusammenhang noch aus der Entstehungsgeschichte der Richtlinienvorschrift eindeutig beantworten lässt (wie in der Besprechungsentscheidung erläutert wird), war eine Vorlage an den EuGH geboten.

Halten Sie Fälle offen, in denen die Bestimmung des Leistungsorts von der Frage abhängt, ob ein Zwischenaufenthalt vorliegt.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Beschluss vom 23.10.2003, V R 30/02

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