Leitsatz

Soweit ein Unternehmer als Leistungsempfänger alles Notwendige getan hat, um sich von der Unternehmereigenschaft des leistenden Unternehmers und von der Richtigkeit der Rechnungsangaben zu überzeugen, hat er den Vorsteuerabzug auch aus einer Rechnung, in der die Anschrift des leistenden Unternehmers schon zum Zeitpunkt der Leistungsausführung unrichtig ist.

 

Sachverhalt

Ein Autohändler kaufte mehrfach von einem Dritten (Beteiligter 1) unter Ausweis der Umsatzsteuer Fahrzeuge an. Er vergewisserte sich durch umfangreiche Maßnahmen über die Identität des Verkäufers, über dessen steuerliche Erfassung und war auch in dessen Geschäftsräumen. Nach Feststellungen der Finanzverwaltung gab aber der Verkäufer zu einem späteren Zeitpunkt seine Geschäftsräume auf und entzog sich der Besteuerung. Trotzdem erstellte er weiterhin unter der ehemaligen Geschäftsanschrift Rechnungen mit Umsatzsteuerausweis. Die Finanzverwaltung versagte dem Käufer den Vorsteuerabzug aus den Rechnungen (ab dem Zeitpunkt, ab dem der Verkäufer seine Geschäftsräume aufgegeben hatte) mit dem Hinweis darauf, dass wegen der unrichtigen Anschrift des leistenden Unternehmers keine ordnungsgemäße Rechnung vorliegen würde. Außerdem wurde von der Finanzverwaltung bemängelt, dass die Rechnungsanschrift des Leistungsempängers in den Rechnungen nur per Stempelaufdruck aufgebracht war.

Zu einem späteren Zeitpunkt erwarb der Unternehmer von einem anderen Anbieter (Beteiligter 2) ebenfalls Fahrzeuge unter Ausweis der Umsatzsteuer. Der Beteiligte 2 trat dabei nur gelegentlich auf und wurde weitestgehend von dem Beteiligten 1 (als Geschäftsführer des Beteiligten 2) vertreten. Der Leistungsempfänger holte zwar auch hier einige Informationen über den Beteiligten 2 ein, besuchte aber nicht dessen Firmensitz. Die Finanzverwaltung versagte auch hier den Vorsteuerabzug wegen nicht ordnungsgemäßer Rechnung bzw. weil der Beteiligte 2 nur als Strohmann des Beteiligten 1 gehandelt hätte.

 

Entscheidung

Das Finanzgericht gab der Klage zum Teil statt. Soweit der Leistungsempfänger sich ausreichend über die Unternehmereigenschaft sowie über die Richtigkeit der übrigen Rechnungsangaben vergewissert hat, steht ihm ein Vertrauensschutz zu. In dem Fall der Rechnungen des Beteiligten 1 steht dem Kläger der Vorsteuerabzug zu, da er vom Umsatzsteuerbetrug des beteiligten 1 weder etwas wusste oder wissen musste und er alle Maßnahmen getroffen hat, die vernünftigerweise verlangt werden können, um sicherzustellen, dass die Umsätze nicht in einen Betrug einbezogen waren. Das der Beteiligte 1 später seinen Firmensitz aufgab, aber weiterhin unter der alten Anschrift Rechnungen ausstellte, sah das Gericht nicht als Vorsteuerabzugshindernis an, da es die Zumutbarkeitsgrenze im Wirtschaftsleben übersteigen würde, wenn der Unternehmer bei jeder Eingangsrechnung überprüfen müsste, ob die Rechnungsangaben noch zutreffend sind. Zur Begründung verweist das Finanzgericht Köln auch auf das Urteil des EuGH vom 6.7.2006 (Rs. C-439/04 und C-440/04 - Kittel und Recolta), in dem der gutgläubige Erwerber die von einem "missing trader" ausgewiesene Umsatzsteuer als Vorsteuer abziehen könne. Das Gericht vertritt die Auffassung, dass der EuGH zwar nicht zu den Rechnungsanforderung Stellung bezogen hat, es aber eine unzulässige Einschränkung der Rechtsaussage des Urteils wäre, wenn der gutgläubige Erwerber nur dann den Vorsteuerabzug aus der Rechnung eines Betrügers hätte, wenn die Rechnungsangaben zum Zeitpunkt der Ausführung der Leistung zutreffend gewesen waren.

In dem Fall des Beteiligten 2 versagte das Gericht dem Kläger den Vorsteuerabzug aus den Rechnungen. Der Beteiligte 2 war nur selten gegenüber dem Kläger aufgetreten, die geschäftlichen Dinge wurden fast ausschließlich weiterhin durch den als Geschäftsführer auftretenden Beteiligte 1 erledigt. Alleine schon deshalb hätte der Kläger nach Auffassung des Gerichts die Verpflichtung gehabt, ausreichende Aufklärungsmaßnahmen zu treffen. Hinzu kam, dass der Beteiligte 2 nach Auffassung des Gerichts in seiner Zeugenaussage einen derart unbedarften Eindruck machte, dass er gar nicht in der Lage gewesen sei, einen Autohandel zu führen.

 

Hinweis

Das Gericht beschreitet mit seinem Urteil Neuland. Zwar ist schon eindeutig geklärt, dass es für den Vorsteuerabzug nicht von Bedeutung ist, wenn der leistende Unternehmer nach Ausführung der Leistung seinen Geschäftssitz verlegt und sich der Besteuerung entzieht. In dem vorliegenden Fall war aber der Geschäftssitz schon bei der Ausführung der Leistung nicht zutreffend. Es bleibt abzuwarten, ob sich der BFH in dem anhängigen Revisionsverfahren (Az. V R 14/07) der Auffassung des Finanzgerichts anschließen wird. Es wäre aus Sicht der Praxis zu begrüßen, da die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Rechnung von den Unternehmern im Alltagsgeschäft ansonsten nicht mehr erfüllbar sind. Es bleibt zu hoffen, dass der BFH in seiner Entscheidung auch dazu Stellung nimmt, was als zumutbare Aufklärungsmaßnahme anzusehen ist.

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